Planespotter sind die größten Fans des Flughafens - und müssen draußen bleiben

Fuhlsbüttel. Es ist der Moment, auf den jede Jagd irgendwann hinausläuft. Jens Schlichting legt an. Sein Körper spannt sich, er fixiert, bewegt sich mit seinem Opfer mit, ein Auge geschlossen, das andere am Sucher. Der Finger krümmt sich: klick. Jens hat eine Brussels geschossen. "Kein seltener Vogel zwar", sagt er. "Aber ein besonders großes Exemplar."

Jens, 42, ist Planespotter: süchtig danach, Flugzeuge zu beobachten. Jede freie Minute macht er sich auf den Weg zum Hamburger Flughafen, immer die Kamera im Gepäck, nie ein Ticket. Manchmal, wenn Reisende beim Abflug aus dem Fenster schauen, sehen sie die Spotter mit Feldstechern und großen Objektiven in den Büschen stehen. In Gruppen von zehn, von 20 kleben sie am Zaun oder ziehen von einem Stützpunkt zum nächsten. Auf jedem Flughafen das gleiche Spiel: Drin kreisen die Flugzeuge - und draußen ihre Jäger.

Jens, im richtigen Leben technischer Kaufmann, ist mit seinen Mitstreitern Timo Soyke und Martin Schmid fast jedes Wochenende da. Sie blicken zum Rollfeld und seufzen. "Gefangen in der Außenwelt", sagt Timo. Für andere ist der Flughafen eine Zwischenstation. Für Planespotter ist er selbst das Ziel.

Der Zaun, der sie vom Rollfeld trennt, ist rund zweieinhalb Meter hoch: ein dichtes Netz aus Maschendraht, das jedes Bild versaut. Mit Malerleitern rücken sie deshalb an, oft schon in den frühen Morgenstunden, um ihre Objektive oben auf den Draht zu hieven. Die Fotos der Flugzeuge laden sie später in Internet-Foren hoch. Planespotter in aller Welt vergleichen dort ihre Beute, diskutieren Flugzeugtypen und die fotografische Leistung: Mittig soll das Flugzeug sein, die Registriernummer gut lesbar, kein Gegenlicht. Manche Spotter posten aus allen Ecken der Welt ihre Bilder und werden zu kleinen Berühmtheiten in der Szene.

Den Sicherheitsleuten gelten die Spotter, die so nah an der Landebahn herumstreifen, oft als Risiko. In Russland, Italien und der Türkei sind sie deshalb verboten, in deutschen Städten werden sie geduldet. Hamburg sei hier die beste Adresse, sagt Jens: "Spotter aus anderen Städten sind immer neidisch." In Frankfurt gibt es zwar mehr Flieger; in Hamburg aber ist die Sicht aufs Flugfeld besser. Dank der Lufthansa Technik kommen immer wieder exotische Flugzeuge zur Wartung, und auch das Airbus-Werk liegt in der Nähe. Die ganz großen Maschinen aber fliegen anderswo: "Tupolew", sagt Jens, "Illjuschin!" Alte Sowjet-Jets, deren Namen er mit einer Ehrfurcht ausspricht wie andere Leute Beckenbauer oder Pelé. Auf EU-Häfen dürfen sie oft nicht mehr landen, zu laut, zu viel Energieverbrauch. In Russland fliegen sie noch. "Der Osten", sagt Timo, "ist der wilde Westen der Luftfahrt." Am Flughafen in Moskau gibt es ein Feld, wo die ganz alten Modelle abgestellt sind. "Disneyland", sagt Jens.

Manchmal gibt es aber auch in Hamburg große Momente. Im Mai 2010 etwa wurde zum Europa-League-Finale Madrid gegen Fulham eine Landebahn gesperrt, um die englischen und spanischen Flugzeuge zu parken. Wie beim Selbstbedienungs-Buffet sei das gewesen, sagt Jens. Und nur kurz davor, am 9. April 2010, er kennt das Datum genau: Da war die Antonow An-225 in Hamburg. Das größte Flugzeug im Einsatz, gebaut, um sowjetische Raketen zu transportieren. "Die Antonow", sagt Jens, "ist die Blaue Mauritius unter den Flugzeugen." Gern hätte er es auch gesehen, wenn der FC Bayern dieses Jahr nicht in die Champions League gekommen wäre. Das nächste Finale ist in München, doch wenn in München München spielt, kommen weniger Flugzeuge von außerhalb. Jens würde hinfahren. Zum Flughafen natürlich, nicht ins Stadion. Die Daumen drückt er deshalb für ein rein englisches Finale - "Thomsonfly satt!"

Was ist schon Fußball gegen britische Charterflieger?