Mehr als 50 Jahre sind sie verheiratet. Langweilig war es nie. Viele Unternehmungen, Reisen und - ganz bewusst - der gemeinsame Kirchgang gehören zu ihrem Leben. Mal in die evangelische, mal in die katholische Kirche führt sie ihr sonntäglicher Weg. Er katholisch, sie evangelisch. Nur eines war lange tabu - der gemeinsame Gang zum Abendmahl. Zu sehr ist er, der katholische Oberschlesier, in seiner Tradition verwurzelt. Eine katholische Eucharistiefeier, so meinte er, sei doch etwas anderes als ein evangelisches Abendmahl. Vollkommen richtig - theologisch gesehen.

Fast ein halbes Jahrhundert hat es gedauert, bis er erstmals von dieser Überzeugung abwich. Das geschah nicht als lautes Bekenntnis, sondern eher als eine zarte Liebeserklärung an seine Frau. Die Unterschiede zwischen Konfessionen sind nicht einfach verschwunden, aber die Gewichte haben sich für ihn persönlich verschoben. Darüber hinweg behielt die Liebe die Oberhand. Das ist für mich gelebte Ökumene - wohl wissend, wo die Unterschiede liegen, nach Antworten zu suchen, die von gegenseitiger Liebe geprägt sind. Solche Impulse für den Alltag wünsche ich mir auch von dem gerade stattfindenden Papstbesuch. Die Begegnung zwischen Papst Benedikt XVI und den evangelischen Bischöfen kann dazu beitragen. Es müssen keine großen Erklärungen zustande kommen, ein Zusammenleben in Respekt und Liebe reicht vollkommen.

Dass das möglich ist, zeigen Christinnen und Christen aus 19 verschiedenen Kirchen in einem in Deutschland einmaligen Projekt. Gemeinsam werden Menschen unterschiedlicher Konfessionen die "Brücke", ein ökumenisches Forum in der HafenCity, betreiben und zum Teil auch dort wohnen. Ein Zeichen gelebter Ökumene - wir können auch anders miteinander umgehen. Respekt- und liebevoll auf den jeweils anderen hören, sein Glaubensleben begreifen und achten und gleichzeitig das Gemeinsame suchen und Unterschiede aushalten.

Es ist Zufall, wenn auch ein besonders guter, dass das Richtfest am Donnerstag, genau an dem Tag, als der Papst nach Deutschland kam, gefeiert werden konnte. "Wir sind Papst", so wurde 2005 anlässlich der Papstwahl Benedikts getitelt; heute können wir in Hamburg sagen: "Wir sind Ökumene!"

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