Schicke Stadthäuser sollen vor allem Familien in die Jenfelder Au locken. Doch das gepriesene Referenzprojekt der Stadt stockt noch immer.

Jenfeld. Ökogrün statt Tarnmuster - der Plan der Stadt für das Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne in Jenfeld klingt nach dem großen Wurf. Wo einst die Jungs von der Bundeswehr an Panzern schraubten, soll die Jenfelder Au entstehen - ein besonders umweltfreundliches Quartier mit hoher Lebensqualität. 770 Wohnungen in schicken Stadthäusern sind vorgesehen. Park, Wasserspiel und Ententeich inklusive. Lange haben die Jenfelder auf einen Startschuss für das Großprojekt gewartet. Seit 1998 stehen die Kasernen leer, seit 2006 gibt es den Projektentwurf - und doch wirken die 35 Hektar noch immer wie ein Truppenübungsplatz. Der Wind pfeift über Asphaltpisten und Gestrüpp. Alte Laternen stehen einsam in der Pampa. Im Boden werden Minen, Munition und andere Bundeswehraltlasten vermutet.

Im Bürgersaal des Wandsbeker Rathauses verkündete gestern Nachmittag Bezirksamtchef Thomas Ritzenhoff (SPD) vor Architekten, Journalisten und interessierten Bürgern: "Wir können jetzt mit der Kampfmittelräumung beginnen." 40 Millionen Euro seien für Bauvorbereitung und Erschließung vorgesehen. So unspektakulär geht eines der größten Hamburger Wohnungsbauprojekte an den Start, in einer Stadt, die nach Wohnungen lechzt.

Acht Architektenbüros hatten Mitarbeiter in den Bürgersaal geschickt, um Häusermodelle vorzustellen. Die Vorschläge ähnelten sich nicht zuletzt wegen der städtischen Vorgaben: Reihen- und Stadthäuser, meist in Würfel- oder Quaderform, Wohnschläuche, manche nur fünf Meter breit, dafür tief, mit mehreren Etagen und möglichst großen Fenstern. Ein bisschen Würfelhusten, aber sehr modern. Einige Architekten nannten Baupreise von 250 000 bis 500 000 Euro je nach Größe. Amtsleiter Ritzenhof schwärmte von der "reizvollen Wohnform, so individuell und vielseitig". Noch gebe es wenige Stadthäuser im Bezirk. "Im Umfeld dominieren bislang 60er- und 70er-Jahre-Anmutungen in Betonstil."

Damit sprach Ritzenhof just den Punkt an, an dem sich Kritiker des Projekts wie der Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Ralf Niedmers reiben. Sie fürchten, die Häuser würden zu teuer für den Stadtteil, die falsche Zielgruppe werde anvisiert. "Für den Standort ist eine High-End-Planung angedacht, dabei hätte man viel bodenständiger planen müssen", sagte Niedmers.

Ob die Bedenkenträger recht haben, wird die Investorensuche zeigen. Die Finanzbehörde teilte auf Abendblatt-Anfrage mit, dass die Ausschreibung des ersten Bauabschnitts vorbereitet werde. "Konkrete Interessenten sind vorhanden und werden bereits berücksichtigt, soweit die Zeitachse der Erschließung es schon zulässt." Im Bezirk geht man offenbar davon aus, dass die Fläche sukzessive und blockweise von West nach Ost ausgeschrieben und bebaut wird. "Alles hängt an der Vermarktung durch die Finanzbehörde", sagte Bezirksamts-Sprecherin Anne Bauer.

Schon einmal stand das Wohnungsbauprojekt auf der Kippe. Im Dezember 2009 berichtete das Abendblatt, dass die Kosten für die Erschließung auf unrealisierbare 55 000 Euro pro Wohnung gestiegen waren. Daraufhin wurde umkalkuliert, die Zahl der geplanten Wohnungen um 50 erhöht. "Fakt ist, heute liegen die Kosten deutlich unter den damals genannten", sagte Bauer.

Hohe Kosten sollten bei den ebenso hohen Ambitionen niemanden überraschen. So sieht das Entwässerungskonzept ("Hamburg-Water-Cycle") vor, Regen- und Toilettenabwasser getrennt zu sammeln und aufzubereiten. Mit dem daraus gewonnenen Biogas soll ein Blockheizkraftwerk Strom und Wärme für das Quartier erzeugen.

Der Bezirk wuchert mit dem Pfund. Die Jenfelder Au sei Referenzprojekt der "Nationalen Stadtentwicklung" des Bundesverkehrsministeriums und der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 in Wilhelmsburg, steht in Pressemitteilungen. Ob zur Bauausstellung auf dem Gelände wenigsten ein paar Gebäude fertig werden, ist offen. "Bis zur IBA sollte der Hochbau begonnen haben", sagte Anne Bauer vom Bezirksamt. Auch die Finanzbehörde geht davon aus, dass die Erschließung des ersten Baublocks 2012 über die Bühne geht. Warum alles so lange dauert, wird dort nüchtern erklärt: Das sei bei einem so großen und komplexen Wohnungsbauprojekt üblich. "Mögliche Verschiebungen in der Gesamtplanung sind darauf zurückzuführen, dass noch weitere umfangreiche Abstimmungsprozesse mit beteiligten Fachbehörden und Dienststellen notwendig waren."