Dem Vizekanzler und Vorsitzenden der FDP fehlen Erfahrung und handwerkliches Können. Er hätte nie Parteichef werden dürfen

Seit gut vier Monaten ist Philipp Rösler Vorsitzender der FDP. Er übernahm am 13. Mai eine Partei, die nach dem Urteil ihres Kieler Landeschefs Kubicki beim Wähler "generell verschissen" hat. Eine Partei, die fast zwei Jahrzehnte lang von Guido Westerwelle als Generalsekretär und später als Vorsitzender geprägt, geformt, vor allem aber wohl verformt wurde.

Die FDP aus dem Tief herauszuführen war für den 38-jährigen Rösler ein schwerer, fast aussichtsloser Auftrag. Dass sich die Misere seit seinem Amtsantritt noch verschlimmert hat, ist allerdings weitgehend seine eigene Schuld. Der neue FDP-Chef ist kein guter Politiker, ihm fehlen Erfahrung, handwerkliches Können und strategische Kraft. Das lässt sich an den fünf Fehlern belegen, die sich bereits auf Röslers Mängelliste angesammelt haben.

Erster Fehler: Rösler verzichtete auf einen personellen Neustart der FDP. Dabei hätte er als Bedingung für seine Bereitschaft, den Vorsitz zu übernehmen, alle politisch gebotenen Veränderungen durchsetzen können. Aber er ließ den gescheiterten Westerwelle, gegen den viele Deutsche mittlerweile eine fast schon irrationale Aversion haben, Außenminister bleiben. Ansonsten gab es lediglich ein paar Umbesetzungen in Partei und Regierung ohne erkennbaren Sinn.

Zweiter Fehler: Mit seiner vollmundig auf dem Mai-Parteitag vorgetragenen Parole "Ab heute wird geliefert" zeigte Rösler, wie unbedarft er als Politiker noch ist und dass ihm offenbar kluge Beratung fehlt. Denn erstens war völlig unklar, was denn nun geliefert werden soll. Und zweitens eignet sich diese Formulierung dazu, sie nach Belieben im Mund ihres Absenders herumzudrehen. Und so ist es ja auch gekommen: Erst machte das Wortspiel von Röslers Lieferschwierigkeiten die Runde. Neuerdings heißt es, Rösler liefere verlässlich eine Wahlniederlage nach der anderen. Der FDP-Chef bleibt seinem Satz auf Dauer ausgeliefert.

Dritter Fehler: Um in der schwarz-gelben Koalition Profil zu gewinnen, erneuerte der neue Vizekanzler ausgerechnet die Forderung nach Steuersenkungen. Damit war aber schon Westerwelle gegen die Wand gelaufen. Das Thema passt nicht in eine Zeit, in der die Sanierung der Staatsfinanzen angesagt ist. Die nachgeschobene Erläuterung, vor allem Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen sollten entlastet werden, macht es vollends absurd. Denn die sind ja keine FDP-Wähler.

Der vierte Fehler ist eine Folge des ersten Fehlers, Westerwelle weiter im Außenamt zu dulden. Nach dessen missglückten Äußerungen zu Libyen versuchte Rösler nachträglich Stärke zu zeigen, indem er den Eindruck erweckte, als FDP-Chef habe er die außenpolitische "Linie" des Ministers neu "vorgegeben". Das obliegt nach dem Grundgesetz aber ausschließlich der Bundeskanzlerin. Ein Vizekanzler, der Nachhilfestunden in Staatsbürgerkunde benötigt - das ist zumindest für politisch versierte Wähler doch sehr gewöhnungsbedürftig.

Fünfter Fehler: Mit seinen Äußerungen über die "geordnete Insolvenz Griechenlands", populistisch aufgemotzt durch die Behauptung, damit ein "Denkverbot" zu durchbrechen, hat sich Rösler letztendlich zwischen alle Stühle gesetzt. Auch hier hat er einen Fehler Westerwelles wiederholt. Der glaubte auch, mit seinen Ausfällen gegen Hartz-IV-Empfänger ("spätrömische Dekadenz") die Masse der Deutschen anzusprechen, gewann damit aber keine einzige Wählerstimme. Wie jetzt auch Rösler in Berlin keine gewann.

Was die Wähler überhaupt nicht begreifen: Dass die Kritik an der Regierung aus der Regierung selbst, vom stellvertretenden Kanzler, kommt. So hat Rösler nur eines erreicht: Schwarz-Gelb steht noch ramponierter da als vorher schon. Und falls es kommende Woche bei der Abstimmung zum Euro-Rettungsschirm im Bundestag zur Koalitionsmehrheit reicht, wird das nicht als Erfolg, sondern lediglich als Atempause bei ihrem Niedergang interpretiert werden.

Vier Monate, fünf Fehler, das ist Röslers Bilanz. Das lässt auf einen weiteren, grundsätzlichen Fehler schließen, ganz am Anfang, sozusagen die Mutter aller Fehler: Er hätte nicht FDP-Chef werden sollen.