Benedikt XVI. sollte bei seinem Deutschlandbesuch auf die Sehnsucht der Menschen nach Sinn und Segen eingehen

Wenn Papst Benedikt XVI. am Donnerstag in Deutschland einschwebt, werden sich vor allem viele katholische Bischöfe, Priester und Gemeinden freuen. Sie erwarten ein viertägiges Fest, das ihrem Glauben Gewissheit geben und ihrer Zusammengehörigkeit den Rücken stärken soll.

Als norddeutscher Protestant sehe ich es eher mit Zurückhaltung, wenn das Oberhaupt des Vatikanstaates in weißen Gewändern über das Rollfeld schreitet, mit militärischen Ehren empfangen wird und im Papamobil winkend durch die Massen fährt. Als evangelischer Christ glaube ich ja an das Priestertum aller Getauften und brauche keine geweihten Mittler zwischen Gott und mir und auch keinen gefeierten Star.

Interessant finde ich allerdings die Formulierung des Jesuiten-Paters Bernd Hagenkord, des Leiters der deutschsprachigen Sektion von Radio Vatikan, der vor einigen Tagen sagte: "Der Papst ist ein Star mit Inhalt."

Tatsächlich haben die Euphorie der Massen und der Hype der Medien den Papst zu einem umjubelten Star gemacht, und der Vatikan hat diese Rolle auch bis zu einem gewissen Grad bedient. Mir selbst ist diese Art der Verehrung immer etwas fremd geblieben, aber wo der Papst ein Star "mit Inhalt" ist, bin ich sehr interessiert.

Wenn er am Donnerstagnachmittag vor dem Deutschen Bundestag spricht und in den vier Tagen seines Besuchs einige theologische Reden und Predigten hält, will ich genau hinhören. Wird er etwas zu den Reformen sagen, die viele Katholiken sehnlich erwarten? Etwa zu dem dringenden Wunsch, dass geschiedene und wiederverheiratete Katholiken zur Eucharistie (Abendmahl) zugelassen werden? Diese Öffnung nannte sogar Erzbischof Zollitsch, der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, eine "Frage der Barmherzigkeit". Er erinnerte daran, dass auch Bundespräsident Christian Wulff, der den Papst eingeladen hatte, zu jenen Ausgeschlossenen gehört: "Für mich ist Wulff ein Katholik, der seinen Glauben lebt und unter seiner persönlichen Situation leidet."

Aber auch wir evangelischen Christen haben Erwartungen, wenn der Papst in das Land der Reformation kommt. In Erfurt will sich Benedikt XVI. mit Vertretern und Vertreterinnen der evangelischen Kirchen treffen, symbolträchtig im ehemaligen Kloster der Augustiner-Eremiten, in dem einst Martin Luther als Katholik mit seinen Glaubenszweifeln rang.

Was ist von diesem Treffen der getrennten Kirchen zu erhoffen? Da für die Begegnung von 40 Kirchenleuten nur eine halbe Stunde angesetzt ist, kann es kaum zu einem Dialog über kontroverse Themen wie Frauen im Priesteramt, Demokratie in der Kirche, Sexualethik oder Amtsverständnis kommen. Große Überraschungen erwarte ich nicht, aber natürlich habe ich nichts gegen ökumenische Zeichen. So feiert man anschließend einen gemeinsamen Wortgottesdienst mit Texten aus der Lutherbibel und der Begrüßung durch eine Frau. Wer zusammen betet, der betont trotz aller Verschiedenheit die Gemeinsamkeiten. Zu den gemeinsamen Zielen, um die es allen Kirchen in diesem säkularen Land gehen sollte, gehören die Besinnung auf die Bibel, die Taufe und das Gebet. Die Wiederbelebung der spirituellen Tradition ist für unser ganzes Land nötig.

Ratzingers ehemaliger evangelischer Professorenkollege Helmut Thielicke stellte vor langer Zeit fest: "In Deutschland sind die Menschen so entsetzlich unter sich, denn es hat aufgehört, ein betendes Land zu sein. Darum werden die Auen so dürr und die Herzen voll Hass, und der Segen beginnt zu weichen. Wenn wir die Gemeinschaft mit Gott verlieren, zerfallen wir auch untereinander."

Ein Land, das zusammen betet, hält auch zusammen. Es könnte unserem Land sehr nützen, wenn sich seine Menschen nicht nur egoistisch aufs Materielle konzentrieren, sondern dem Schöpfer danken und dem Nächsten abgeben. Wenn der Papst dazu etwas Überzeugendes sagt, wenn er auf die Sehnsucht der Menschen nach Sinn und Segen eingeht und die Sensibilität für andere weckt, wird sein Besuch etwas bringen.

Wenn Benedikt XVI. ein Star mit Inhalt ist, hoffe und erwarte ich, dass er den auch liefert.