Die Premierenvorstellung des Circus Krone stand im Schatten der Diskussion um artgerechte Haltung. Die Zuschauer hatten trotzdem ihren Spaß.

Hamburg. Fast schuldbewusst ziehen die Besucher ihre Schultern hoch, als sie an den Leuten mit Spruchbändern vorbeigehen, die am Eingang des Circus Krone stehen. "Ich würde da nicht reingehen", wispern die Demonstranten ihnen ein schlechtes Gewissen ein. "Tierquälerei!", steht in großen Buchstaben auf den Plakaten. Früher einmal war der Zirkus reiner Spaß. Heute, hier in Hamburg, ist er zum Thema politischer Debatten geworden. Pünktlich zum Start der Vorstellungen des Circus Krone hatte der Senat einen Beschluss präsentiert, sich im Bundesrat für ein bundesweites Haltungsverbot von Wildtieren in Zirkussen einzusetzen.

Im Zelt auf dem Heiligengeistfeld ist kurz vor der Premiere kaum noch etwas von der Aufregung zu spüren. Alles ist wie immer, wie es schon vor Jahrzehnten war. Lichter, Jahrmarktmusik und bunte Kostüme weisen darauf hin: Hier ist der Ernst zu Ende, die nächsten drei Stunden sollen allein der Unterhaltung dienen. Auch in der Manege scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Die Clowns tragen noch immer zu große Schuhe, und die Seelöwen können noch immer sich selbst applaudieren. Früher brachte so ein Zirkus einen Hauch von weiter Welt in die Stadt: Tiere, die man sonst nicht sah, und Menschen, die fremd klingende Sprachen sprachen und ihre Körper verrenkten. Heute leben wir in Zeiten billiger Flüge und realistisch erscheinender Schockeffekte. Was bleibt vom alten Zauber?

Tatsächlich sind es vor allem die Artisten, die für Aufregung sorgen. Überschläge in der Luft, ein Sprung durch den Feuerkreis - noch immer zündet mehr als alle anderen Showeffekte der Mut, sich in Abgründe und Gefahren zu stürzen. Asiatische Turner schleudern sich durch die Luft, die Brüder Anastasini schlagen Salto-Kaskaden und die brasilianischen Trapezkünstler "Flying Zunigas", durchtrainierte Turnmaschinen, fliegen präzise aufeinander zu und aneinander vorbei. Das Haus ist nicht ganz voll besetzt, aber 2500 Zuschauer sind da, darunter viele kleine Kinder, die "O Gott!" schreien und sich hinter Popcorntüten verstecken, wenn es zu spannend wird.

Video: Stadtteilreporterin Christin Müller schwimmt mit drei Seelöwen des Circus Krone.

Bleibt die Frage nach den Tieren. Und ausgerechnet, wenn die auftreten, ziehen sich doch deutliche Längen durch das selbst während der kurzen Umbaupausen so perfekt durchchoreografierte Programm. Längste Länge ist die Pferdenummer der Juniorchefin Jana Mandana, Dressurreiten wie gehabt, aber in hübschen Kostümen und natürlich zur Musik von "Carmen", die immer passt, wenn Sand in einem Rund liegt. Die Tiere des Anstoßes, sechs Elefanten, trotten später träge durch die Manege, Tiere, die naturgemäß oft auch dann schon alt aussehen, wenn sie gerade erst frisch ausgewachsen sind. Sie heben die Rüssel, scheinbar zum Gruß, geben Pfötchen oder drehen sich um die eigene Achse; ein bisschen schwerfällig erscheinen sie. Nashornbulle Tsavo, der schon mehrere Jahrzehnte auf dem Buckel, aber kaum Tricks parat hat, wird einmal durch die Manege geführt - ein stoisches, sympathisches Tier mit einer Darbietung, die weder sein Zirkusdasein noch die Geruchsbelastung für manchen Zuschauer zwingend rechtfertigt.

+++ Senatsbeschluss: Elefanten im Zirkus verbieten +++

Die beiden Höhepunkte kommen später. Im Zirkus gilt ja häufig, dass die Auftritte, je perfekter einstudiert, desto zufälliger und spontaner wirken. Nach diesem Prinzip funktionieren Auftritte von Clowns, und nach diesem Prinzip funktionieren auch die Darbietungen von Martin Lacey jr. mit seinen Löwen und Crazy Wilson auf dem Todesrad, der den Abschluss des Abends bildet. Beide haben mit kleinen, geplanten Pannen zu kämpfen, die Spannung erzeugen. Hier der Scheinangriff eines zähnefletschenden Löwen, da ein Stolperer in luftiger Höhe - sekundengenau geprobt, begleitet von Schreckenschreien aus dem Publikum. Die Kinder lassen Popcorn Popcorn sein und verstecken die Gesichter in den Blusen der Mütter, als Wilson sich gegen Ende seines Auftritts zum Salto mortale auf dem Todesrad schickt. Dass er ihn fehlerfrei und gleich mehrmals präsentiert, überrascht letztlich weniger als dass er danach im Schwung seines Absprungs in eine Loge fällt - und bringt ihm die ersten Standing Ovations des Abends ein.

Die Inszenierung ist perfekt. Und auch die innere Logik einer solchen Vorstellung und ihrer Auftritte, sich gegen Ende in Schwierigkeit und Erregungspotenzial zu steigern, hat Erfolg. Die Kinder, zwischenzeitlich fast eingeschlafen - bei Wilsons Auftritt ist es schon elf -, klatschen rotwangig und mit glänzenden Augen den todesmutigen Artisten Beifall. Für sie ist der Zirkus mit seiner Mischung aus Tieren, Gefahr und Exotik ein Erlebnis. Und der Reiz, dass etwas schiefgehen könnte, wirkt auch bei Erwachsenen. Immer wieder aber blitzt zwischen all dem Glitzer und Trommelwirbel eine Beschwichtigung der Kritiker auf. Dompteur Martin Lacey jr. hält, nachdem er seine Löwen aus dem Ring geschafft hat, eine kleine Ansprache an die Zuschauer: "Meine Löwen sind zufrieden", beteuert er. "Wir teilen unser Leben mit unseren Tieren."