Eine Glosse von Alexander Josefowicz

In einem Jahr voller Jubiläen wäre zwischen 25 Jahren Tschernobyl, Sandoz-Brand und Challenger-Absturz ein wichtiger Termin beinahe verloren gegangen. Aber glücklicherweise gibt es ja Leute, die auf so etwas achten und eine Pressemitteilung verschicken. Die verkündet - und die helle Freude strahlt aus jedem Wort: Auch "Kuschelrock" wird dieses Jahr 25!

Das war knapp. Gar nicht auszudenken, was alles hätte passieren können, wenn man die "Tradition, die Generationen prägte" vergessen hätten. Schließlich kauft man mit "Kuschelrock" nicht einfach einen Sampler, man schließt auch, so führt der Begleittext zum Jubiläumsalbum weiter aus, "ein Gänsehaut-Abo" ab. Das stimmt tatsächlich. Wer erinnert sich nicht an die eiskalten Schauer, die einem über den Rücken liefen, wenn der oder die Angebetete verheißungsvoll mit einer CD-Hülle winkte, auf der sich ein weichgezeichnetes Pärchen gaaanz tief in die Augen blickte?

Aber wie konnte man einen dermaßen bahnbrechenden Termin wie das Erscheinen der ersten Kuschelrock-Platte am 23. November 1987 bloß vergessen? Das hätte doch im Kalender stehen müssen. Hektisches Blättern löst das Rätsel schließlich. Der Tag ist korrekt mit Herzchen markiert. Allerdings erst 2012, wenn der Sampler mit der Kitschgarantie tatsächlich ein Vierteljahrhundert alt wird. Liebe macht anscheinend nicht nur blind, sie beeinträchtigt auch die Rechenfähigkeit.