Die Notoperationen der Europäischen Zentralbank müssen in gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik münden

In der letzten Woche hat das Bundesverfassungsgericht geurteilt, dass die Rettungsschirme der EU verfassungskonform sind, dass aber der Bundestag nicht übergangen werden darf. Sofort sind Stimmen laut geworden, die auch eine Zustimmung des Bundesrates fordern. Namentlich Kurt Beck will dies. Auch Oppositionspolitiker äußerten sich entsprechend. Das Urteil jedoch gibt das nicht her - und es wäre auch nicht vernünftig, noch ist es angesichts der Eitelkeiten und Eigenheiten der Länderfürsten und Fürstinnen klug, dies zu fordern. Was man als Landespolitiker fordern sollte, ist die verbindliche und kontinuierliche Einbindung in die Pläne und den Informationsfluss der Bundesregierung, ein Informationsrecht, kein Beschlussrecht.

Dennoch ist unbestritten, dass die Länder von den Entscheidungen des Bundestages betroffen werden. Haushaltsgelder, die sonst für anderes zur Verfügung ständen, werden gebunden. Über einen steigenden Zinssatz wird spekuliert. Der Bund Deutscher Steuerzahler hat eine Horrortabelle veröffentlicht, wonach alle Bundesländer insgesamt 12,3 Milliarden Euro mehr Zinsen zahlen müssten, wenn Euro-Bonds kämen. Zugrunde gelegt wurde ein Zinsplus von zwei Punkten. Ob dies realistisch ist, ist mehr als fragwürdig. Amerikanische Staatsanleihen etwa werden mit einem Zinsminus von 0,8 Prozent gehandelt, weil ein großer Anleihenmarkt für Anleger attraktiver ist. Ebenso gut möglich ist, dass Euro-Bonds zu günstigeren Zinsen führen. Zwei Experten, drei Meinungen.

Was man aber wissen kann, ist, dass ein dynamisches System wie das Zinssystem nicht so berechnet werden kann, dass man einfach auf alle zu zahlenden Zinsen zwei Punkte draufschlägt. Die Laufzeiten der Anleihen sind lang und wurden von den Zinsabteilungen in den Ministerien im letzten Niedrigzinsjahr klug verlängert. Schleswig-Holstein liegt bei zehnjährigen Anleihen durchschnittlich bei 2,8 Prozent, derzeit beträgt der Zinssatz für neue Darlehen 3,1 Prozent. Tatsächlich würden 2 Prozent Zinserhöhung Schleswig-Holstein ca. 150 Millionen Euro zusätzlich an Belastungen bringen, nicht 552 Millionen, wie der Steuerzahlerbund schreibt. Systematisch wie faktisch sind die Szenarien also zweifelhaft.

Die Alternative zu einer gemeinsamen Finanzunion wäre eine Rückkehr Griechenlands zur Drachme. So ungewiss weitere Schritte Richtung Europa sind, so gewiss sind die unmittelbaren Konsequenzen für den Ausstieg Europas. Als Erstes würden die Staatsanleihen in den Händen der Banken zu Ramschpapieren. Schon die Staatsanleihen nur der HSH Nordbank belaufen sich nach dem Stresstestbericht der Europäischen Bankenaufsicht auf 200 griechische, 62 portugiesische, 178 spanische und 658 italienische Millionen Euro. Irische Staatsanleihen sind nicht dabei. In Summe macht das knapp eine Milliarde Euro - sehr viel Geld, aber wenig im Vergleich zu den anderen deutschen Banken.

Das Volumen möglicher Abschreibungen bei einem Schuldenschnitt von 50 Prozent betrifft in der Höhe das Omega-55-Geschäft von 2008, das die HSH Nordbank an den Rand des Zusammenbruchs brachte. Dass der Erosionsprozess von Euro-Land nach dem Ausschluss Griechenlands aus der Währungsunion auch andere Länder im europäischen Süden erfassen würde, wäre das Erwartbare - so unterschiedlich die Fälle gelagert sein mögen. In dieser Kiste lagern Horrorszenarien: Ein Zerschellen des Euros würde wirtschaftliches Chaos auslösen, unsere Exporte würden einbrechen, die Kreditvergabe würde zusammenbrechen, die Arbeitslosigkeit hochschnellen. Jahrzehnte des Aufbaus des Friedensprojekts Europa wären gefährdet.

Ohne Frage ist das Thema schwierig, es gibt weder einfache noch gute Antworten und keine reine Lehre. Aus Sicht der Länder sind die Optionen deutlicher und klarer, als sie es aus Sicht der Bundesregierung sein mögen: Europa hat zu lange im Widersprüchlichen verharrt. Die Notoperationen der EZB müssen in einen klaren, gemeinsamen europäischen Rahmen der Finanz- und Wirtschaftspolitik überführt werden. Rumlavieren und ahnungsloses Vabanquespiel mit den Märkten à la Philipp Rösler birgt das höhere Risiko. Das zweithöchste birgt das verantwortungslose Kaputtreden des Euros.

Robert Habeck, 42, ist Fraktionschef der Grünen im Landtag von Schleswig-Holstein