Modelagentur, Messebau, Getränke: Eine bunte Mischung belebt das 2009 geschlossene Werk. 2013 ist alles vorbei. Der Bezirk will Wohnungen bauen.

Ottensen. Es herrscht ein ganz besonderer Geist hier auf dem ehemaligen Kolbenschmidt-Gelände an der Friedensallee in Ottensen. Seitdem die Fabrik 2009 geschlossen wurde, haben sich in den vergangenen Monaten etliche Handwerker und Gewerbetreibende niedergelassen. Sie haben sich zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, damit das neue Leben hinter den alten Fabrikmauern möglichst lange währt. Denn ihre Mietverträge sind befristet. Der Bezirk Altona will dort Hunderte Wohnungen bauen.

"Wir fühlen uns hier in einer Gemeinschaft und nicht wie in einem Industriegebiet. Man kann auch mal in Ottensen einen Kaffee trinken gehen", sagt Pascal Snoeck. Im April waren er und sein Geschäftspartner Jan Nicolai Wilke mit ihrer Tischlerei, die sich auf den gehobenen Innenausbau spezialisiert hat, von Schnelsen nach Ottensen gezogen. Die Suche nach einer geeigneten Fläche war langwierig. Nun stehen ihre schweren, großen Maschinen in der mächtigen 800 Quadratmeter großen Halle. "Eigentlich ist es fast unmöglich, in der Innenstadt solch eine Werkstatt zu finden." Und die Miete sei mit 3800 Euro für die Lage super. Die beiden beschäftigen sieben Mitarbeiter, darunter auch Jugendliche aus schwierigen sozialen Verhältnissen, aus Alkoholikerfamilien, aus Familien mit Migrationshintergrund, die hier eine neue Chance erhalten. Mit Erfolg übrigens.

Die historischen Werkhallen auf dem etwa 38 000 Quadratmeter großen Gelände stehen teilweise leer. Das große Firmenschild eines Immobilienmaklers an der Auffahrt wirbt mit Gewerbeflächen. Aber in einem Großteil der Hallen wird schon gearbeitet. Es ist eine bunte Truppe, die hier ansässig ist: Neben einem Anbieter für alternative Busreisen, einer Kfz-Werkstatt, einem Oldtimer-Händler, einer Modelagentur oder der Wildtierstation hat sich auch Claus Ebeloe mit seinem Getränkeladen eingerichtet. Er beliefert vor allem Büros und die Gastronomie. An seinem vorherigen Standort an der Bellealliancestraße in Eimsbüttel gab es einen Eigentümerwechsel im Haus und damit wie so häufig eine "saftige" Mieterhöhung. Ebeloe fühlt sich wohl. Und statt auf 90 kann er sich hier auf 300 Quadratmetern ausbreiten, gleich neben der alten Produktionshalle.

Die ist angeblich 9000 Quadratmeter groß und "ein Hammer". Der 45-Jährige malt sich schon aus, wie dort ein Wochenmarkt zweimal pro Woche seine Stände aufbaut und Kunden aus Ottensen und Othmarschen zum Einkaufen kommen. "Da ist Platz für 200 Marktbeschicker." Er plant auch ein großes Fest, "um mal den Anwohnern Hallo zu sagen". Das Gelände hier ist ein Sahnegrundstück. Das weiß der Getränkemann und gelernte Bierbrauer. Dass dort ein Wochenmarkt hinkommt, ist wohl nur Wunschdenken. "Das Grundstück bringt natürlich Kohle. Hier kommen bestimmt Luxuswohnungen hin, dabei würden wir gern bleiben."

Die Fläche gehört dem Rheinmetall-Konzern. Der Boden, sagen die Gewerbetreibenden, sei vergiftet. "Die haben vor Kurzem gerade Bodenproben entnommen", wissen einige. "Bis zu fünf Meter Erdreich müssten für Wohnungsbau abgetragen werden", heißt es gerüchteweise. "Ölrückstände im Boden sind ein Thema", sagt Claus Ebeloe. Die Rheinmetall AG hält sich mit Kommentaren zurück. Fest steht aber, dass die Bezirksversammlung das reine Gewerbegebiet neu ausweisen möchte. "Den Politikern wäre eine Mischnutzung am liebsten", sagt Kerstin Godenschwege, Sprecherin des zuständigen Bezirksamts Altona. Wohnungen seien geplant, zu 30 Prozent sogar sozialer Wohnungsbau. "Wir stellen uns 60 Prozent Wohnen und 40 Prozent Gewerbenutzung vor", so die Sprecherin. Wohnungsbau habe bei dem SPD-Senat eben Priorität, so auch bei der rot-grünen Koalition in Altona.

"Wir würden gern auch nach Ablauf unseres Mietvertrags Ende 2013 hierbleiben", sagt Thorsten Wollschläger von der Motorrad-Selbsthilfe Altona. Erst im März ist er von der Stahltwiete in Bahrenfeld an die Friedensallee gezogen. Der alte schwarz-grüne Senat wollte 1800 Wohnungen in Gewerbegebieten errichten. In dem Gebiet lag auch die Motorrad-Selbshilfe. Nach zehn Jahren musste die Firma umziehen.

"Wir finden in Altona kaum noch bezahlbaren Gewerberaum", sagt Wollschläger. An der Bürowand hängen Zeitungsausschnitte und Informationen zu der Aktivistengruppe Lux und Konsorten, die auf steigende Mietpreise und Gewerbeleerstand hinweist. Wollschläger: "Alles, was Gewerbe war, wird plattgemacht für Wohnungen und Supermärkte. Wir sehen schwarz: In Hamburg geht es nur noch um den Bau von Wohnraum, der auch noch überteuert ist." Helfen würden den Gewerbetreibenden Zehn-Jahres-Mietverträge, damit man sich vernünftig ansiedeln könne. "Wir sind hier ein bisschen wie ein gallisches Dorf", sagt Oliver Thomas von der Firma Mehrblick, die individuelle und nachhaltige Messe- und Veranstaltungsmöbel baut. "Wir bereichern uns gegenseitig. Das Handwerk an diesem Ort sollte unbedingt bleiben."