Der Terror ist zehn Jahre nach den Anschlägen vom 11. September ständiger Begleiter. Jetzt gilt es, die Freiheitsrechte zu bewahren

Es war vor zehn Jahren, kurz nach dem 11. September. Der NDR hatte mich als Vertreterin des Bundesinnenministeriums zur Diskussion mit Hörern über die Folgen nach den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon eingeladen. Eine Frau sagte: "Ich fahre nicht mehr in die Innenstadt, ich meide Menschenansammlungen, achte beim Einsteigen in den Bus darauf, ob jemand mit arabischem Äußeren da sitzt. Das ist doch wohl richtig?"

Empörung packte mich. Nein, es war nicht richtig! Klar, die Menschen standen unter dem Schock der Ereignisse; und ausgerechnet in unserem liberalen, weltoffenen Hamburg waren Studenten, allen voran Mohammed Atta aus Ägypten, zu Selbstmordattentätern geworden und hatten als Todespiloten Flugzeuge zu furchtbaren Kriegswaffen gemacht. Diese verängstigte Frau lieferte den Beweis, dass die islamistischen Terroristen noch ein anderes Ziel erreichen konnten: der Gesellschaft Furcht einzuflößen und ihre persönliche Freiheit einzuschränken. Viele Menschen haben sich aber der drohenden Einschüchterung widersetzt. Bücher über den Islam erlebten einen Boom; es galt gerade jetzt, sich intensiv mit dieser Religion zu befassen und die hier lebenden Muslime vor Pauschalverdacht in Schutz zu nehmen.

Am "Tag der Offenen Moschee" im Herbst 2001 war die Bundesregierung vertreten - eine Geste der Verständigung. Zugleich verabschiedete der Bundestag in rasantem Tempo Gesetzesänderungen mit weitreichenden Zugriffen auf Post-, Bank-, Luftverkehrs- und Telekommunikationsdaten. Befristet, denn zum Dauerzustand sollte dies nicht werden. Eine Zeitenwende sei der 11. September, ein Tag, der die Welt veränderte, heißt es bis heute. Stimmt es? Haben die Ereignisse unser Verhalten, die Balance zwischen Sicherheits- und Freiheitsstreben dauerhaft gestört?

Kürzlich wurde das "Anti-Terror-Paket" verlängert. Zuvor gab es Streit zwischen dem Innenminister und der stets auf die Wahrung der Bürgerrechte pochenden Justizministerin - doch die breite Öffentlichkeit hat der Vorgang kaltgelassen. Themen wie Schuldenbremse und Euro-Rettung treiben zurzeit stärker um. Als Spätfolge von "Nine-Eleven" bewegt sie am ehesten der gefährliche Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan. Einschränkungen im Flugverkehr zählen zur Routine.

Sechs geplante islamistische Angriffe in Deutschland wurden aufgedeckt (den gestrigen noch nicht mit eingerechnet), rund 1000 Personen rechnen Experten zum terroristischen Spektrum. Dass Deutschland zum "weltweiten Gefahrenraum" zähle, an solche Sätze haben wir uns gewöhnt. Die Existenz des weltweiten Terrorismus ist zum ständigen, eher unauffälligen Begleiter geworden.

Was unser Verhalten und die Bewegungsfreiheit des Einzelnen betrifft, waren die Massenmörder nicht erfolgreich, gottlob. Aber mehr Achtsamkeit wäre inzwischen angebracht, wenn es um die Wahrung persönlicher Daten und des Privaten geht, besonders in der Telekommunikation. Dazu müssen nicht nur Politiker und Datenschützer, sondern die Bürger selbst beitragen.

Und: Zurzeit breiten sich neue Formen des Rechtspopulismus aus. Seine Kennzeichen sind eine Anti-Europa-Stimmungsmache und die aggressive Abwehr nicht nur des Islamismus, sondern des Islam schlechthin, wie in Parteien in Holland und Skandinavien, die durchaus auf Zustimmung stoßen. In Deutschland sind diese Tendenzen nur schwach spürbar. Aber das könnte sich ändern! Alle, denen es um einen fairen Umgang mit den hier lebenden Muslimen geht und um ein Verhältnis ohne Schönfärberei, auch ohne Feindseligkeit und Vorverurteilungen, sind zur Wachsamkeit aufgerufen.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), 69, lebt in Hamburg; sie war von 1998 bis 2002 Staatssekretärin im Innenministerium