Eine Betrachtung von Sven Stillich

Einige meiner Freunde und ich sind von einem Virus befallen. Es ist das "Nur noch eine"-Virus (NNE). Einmal infiziert, bringt es sein Opfer dazu, ohne Pausen Episoden von Fernsehserien hintereinanderweg zu gucken, bis ihm die Augen zufallen. Vermehrt sich das Virus ansonsten meist im Herbst und Winter, hat das Wetter in diesem Sommer zu einer Epidemie geführt. Infektionsquellen sind meist DVD- oder Blu-Ray-Sammeleditionen.

Das Abwehrsystem des NNE-Virus ist dabei verteufelt intelligent: Es lässt dem Opfer nicht nur Fernsehenschauen als reizvollste Handlung überhaupt erscheinen, es versorgt sein Hirn zudem mit, genau: Ausreden. Vom NNE-Virus Befallene schwärmen von großartigsten schauspielerischen Leistungen (wie etwa in "Luther"), von innovativen Erzählstrukturen ("Breaking Bad") oder von all den vielen kleinen liebevoll erzählten Geschichten, die sich zu einem großen Ganzen fügen ("How I Met Your Mother").

Was sie - und ich - damit eigentlich sagen wollen: Wir können manchmal nicht aufhören, die Serie ist stärker als wir. Weil eine Folge manchmal nur 20 Minuten dauert, ist es so leicht, "nur noch eine" zu schauen. Und das finden wir - und da spricht das NNE-Virus aus uns heraus - auch gar nicht schlimm. Geht ja auch wieder vorbei. Gibt ja Gegenmittel. Freunde und Freundinnen. Konzerte. Restaurants. Das Leben draußen. Und irgendwann ist ja auch die letzte Folge geschaut. Was für eine grausame Vorstellung.