Betrunken steckten sie aus Rache für vermeintliche Denunziation Oldtimer an: Zwei junge Männer aus gutem Hause stehen jetzt vor Gericht.

Neustadt. Ganz artig, die Hände gefaltet, den Rücken durchgedrückt, sitzen sie vor Gericht. Zwei junge Männer, die nie großen Ärger mit der Justiz hatten. Der eine, Lennart F. - sportliche Figur, erste Geheimsratsecken - arbeitet als Großhandelskaufmann im Familienbetrieb. Der andere, Ole N., ist angehender Hufschmied. Mit ihren 25 und 27 Jahren wohnen sie noch bei ihren Eltern in Ohlstedt. Fester Job, intaktes Umfeld, solide Bildung - warum bloß stehen diese unauffälligen Männer mit der glatten Vita als Autobrandstifter vor Gericht?

Sogar ein Fernsehteam des Polit-Magazins "Panorama" hat sich im Gericht postiert, um per Bildbeweis vor allem eine These zu belegen: dass es ihn nicht gibt, den typischen Brandstifter, der als vermummter und linksradikaler Bürgerschreck Feuerterror in der Stadt verbreitet. Das deckt sich mit den Erkenntnissen der Hamburger Polizei, die von einer sehr heterogenen Tätergruppe ausgeht. Nicht weniger breit gestreut sind die Motive der wenigen bereits überführten Brandstifter. Sie reichen von verschmähter Liebe bis zu "kindlichem Spieltrieb", von "unmotivierten Handlungen unter Alkoholeinfluss" bis zu Vandalismus.

Im am Freitag vor dem Landgericht verhandelten Berufungsfall zündelten die Angeklagten aus Rache. Lennart F., Ole N. und Doran Mc M. fuhren am 29. Mai 2009 nach einer Grillparty nach Hause, sie waren schwer betrunken. In einer Kurve verlor Ole N. die Kontrolle, raste ins Gebüsch. Die Anwohner Markus L. und Sandra G. hatten alles gesehen und halfen, das Auto wieder auf die Straße zu rollen. Vergeblich versuchten sie, den berauschten Mann von der Weiterfahrt abzuhalten. Kaum zu Hause, klopfte die Polizei an Ole N.s Tür - Böses ahnend, hatten die hilfsbereiten Anwohner die Beamten verständigt.

Auf der Polizeiwache führte Ole N. zwei verhängnisvolle Telefonate, er erzählte Lennart, was geschehen war. Dieser meinte daraufhin: "Die machen wir fertig." Bei ihm und Doran seien "so Rachefantasien hochgekommen", sagt Lennart F. "Doran brüllte: ,Lass uns ihre Autos abfackeln!' Dann hat er sich einen Benzinkanister geschnappt, und wir sind mit dem Fahrrad los." Doran habe die zwei BMW-Oldtimer dann angezündet. Die an der Hoisbütteler Straße geparkten Autos brannten völlig aus. 40 000 Euro gingen in Flammen auf.

Viele Beweismittel waren zu sichten, etliche Zeugen zu befragen, die drei Angeklagten bestritten oder schwiegen - der Fall lag deshalb ein Jahr bei der Staatsanwaltschaft. Die Polizei hingegen hatte die Täter sofort geschnappt, das ist selten. Die Aufklärungsquote bei Autobrandstiftungen liegt unter zehn Prozent, während die Fallzahlen steigen. Mehr als 190 Brandstiftungen hat die Polizei allein bis Ende August registriert, das sind mehr Fälle als im gesamten vergangenen Jahr. Nachdem es im Mai 58 angezündete Autos gab, entspannte sich die Lage im Sommer aber. Im Juli zählte die Polizei "nur" noch zwölf Brandstiftungen.

Vor dem Amtsgericht Barmbek waren Doran Mc M., Lennart F. und Ole N. im Dezember 2010 glimpflich davongekommen. Sie erhielten jeweils ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Staatsanwaltschaft und Verteidigung legten darauf Berufung ein - nur Doran Mc M. verzichtete auf Rechtsmittel.

Ihn hört das Gericht gestern als Zeugen. Der Ire im grünen T-Shirt hat mehrere Monate in der französischen Fremdenlegion gedient, zurzeit arbeitet er als Maurer. Vor Gericht schiebt er Lennart F. die Schuld in die Schuhe. Das Ganze sei doch seine Idee gewesen.

Weil zusätzliche Beweismittel nicht auf dem Tisch liegen, ziehen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Berufungen zurück. Damit sind die Urteile aus der ersten Instanz rechtskräftig. Für Ole N. endet die Verhandlung mit einem Freispruch. "Es gibt keinen schlüssigen Beweis, dass er seine Freunde zur Tat angestiftet hat", sagt der Richter. Für Doran Mc M. und Lennart F. geht es jetzt erst richtig los: Ihnen steht der Schadenersatz-Streit mit den Versicherern der ausgebrannten Autos noch bevor.