Maximilian Gege ist kein Öko, wie man ihn sich vorstellt. Er überzeugt seit Jahren die Wirtschaft von den Vorteilen des Ressourcenschutzes.

Hamburg. Es war der Sommer 1979, Maximilian Gege sonnte sich im Griechenlandurlaub am Strand auf einem Handtuch. Neben ihm seine Frau Birgit. Die beiden hatten sich den Peloponnes, Olympia und Athen angeschaut, jetzt widmeten sie sich ihrer Lektüre. Gege schlug ein Buch auf, verschlang es und veränderte daraufhin sein Leben. "Das war mein absolutes Schlüsselerlebnis", sagt Gege, der heute einen Professoren- und Doktortitel trägt.

+++ Der rote Faden +++

Das Werk des Autors Herbert Guhl, es war eines der ersten Werke, die sich mit dem Thema Umweltschutz auseinandersetzten. "Ein Planet wird geplündert", so der Titel. Es ist heute, 32 Jahre später, aktueller denn je. Es ging darum, "dass wenn die Menschheit so weitermacht, die Welt kollabieren wird", sagt Gege. Themen waren wachsende Müllberge, das Ozonloch, Armut und das stetige Bevölkerungswachstum.

Danach war für den damals 34-jährigen gebürtigen Ravensburger nichts mehr wie zuvor. "Ich kam zurück nach Hamburg, da hatte ich bei der Firma Winter, die Diamantwerkzeuge herstellte, als Controller gearbeitet", sagt Gege, "und ich erzählte meinem Chef Georg Winter, dass ich ab nun unbedingt etwas für den Umweltschutz tun wolle". Sein Herz, es schlage nur noch für dieses Thema. Gege und seine offensichtliche Begeisterung wurden ernst genommen, er durfte im handwerklichen Unternehmen an der Osterstraße 58 eine Abteilung aufbauen, die sich damit beschäftigte, wie man als Firma umweltverträglicher arbeiten und dabei langfristig noch Kosten einsparen könne.

Zusätzlich gründete er die Aktionsgemeinschaft Umwelt, Gesundheit, Ernährung, kurz AUGE. Gemeinsam mit Loki Schmidt und dem Biologen und Verhaltensforscher Heinz Sielmann sprachen sie die Kinder an, "denn mit denen muss man ja anfangen". Sie hielten Vorträge, reisten durch Deutschland, um ihre Idee, dass jeder Einzelne etwas für den Umweltschutz tun kann, populär zu machen. Und wurden manchmal belächelt und nur selten ernst genommen. "Das war so vor 20, 30 Jahren", sagt Gege, "positiv ausgedrückt war ich ein Visionär, negativ ein Spinner." Er lacht, denn er hat Verständnis für die Skeptiker. "Energie- und CO2-Sparen, das waren damals eben überhaupt keine Themen für die Leute." Umso mehr freute er sich über seine Mitkämpferin Loki Schmidt, die er immer in ihrem Privathaus in Langenhorn abholte, bevor ein Seminar oder Vortrag anstand. Sie war und bleibt übrigens die Einzige, die in seinem Auto rauchen durfte. "Diese Frau habe ich verehrt, ihr botanisches Wissen war perfekt. Wenn ich beim Heideausflug mit meiner Familie mal eine Pflanze gesehen habe, ihr die dann beschrieb, dann sagte sie so was wie: 'Herr Gege, das kann nur der stinkende Heidesalat sein', großartig." Gege lacht laut und unterstreicht mit solchen kleinen Anekdoten, dass er zwar für den Umweltschutz brennt und kämpft, dabei aber beileibe kein Öko-Diktator sein will. "Ich versuche, das nicht mit dem Zeigefinger zu machen, sondern will die Menschen lieber motivieren."

Dies gelang dem Wahlhamburger, dessen Eltern in Ravensburg ein großes Gasthaus besaßen, im Laufe der Jahre immer mehr. 1982 gründete er dann B.A.U.M. e.V., den bundesdeutschen Arbeitskreis für umweltbewusstes Management, der zur größten europäischen Umweltinitiative der Wirtschaft heranwuchs und heute im ehemaligen Firmensitz des Diamantwerkzeugherstellers Winter in Eimsbüttel beheimatet ist. Sozusagen ein Gradmesser für den Erfolg von Geges Mission in den Bereichen Umweltmanagement und nachhaltiges Wirtschaften einerseits und des gestiegenen Interesses von Bürgern, Kommunen und Unternehmen auf der anderen Seite. Er wurde zum "Papst der Energieeffizienz", erfand und etablierte den sogenannten Energieberater als Berufsbild: Jemand, der in Kommunen und Firmen berät, jemand, der weiß, wo welche Batterien entsorgt werden, der erklärt, warum man besser mit grüner Seife im Haushalt reinigt und auf starke Chemikalien verzichten soll, wie man Müll trennt und Strom sparen kann.

In Deutschland sind heute knapp 5000, in Europa etwa 15 000 dieser Berater tätig. "Der Schweiß der Edlen hat sich gelohnt", sagt Umweltpionier Gege, "dafür bin ich sieben Jahre lang nonstop getourt." Mit dem Zug legte er jährlich bis zu 40 000 Kilometer zurück, übrigens immer am ersten Tisch im Speisewagen, wo er Grüntee bestellt und den Beutel dann ein zweites Mal mit Wasser aufgießen lässt. Er rechnet kurz vor, dass er so ausreichend trinke und 1,45 Euro spare. Dann lächelt er, hat einen neuen Gedanken im Kopf, den er erzählen will, sucht dafür in seinem Büro, das sehr viele Stapel und Fächer hat, ein Buch, einen Flyer. Begeistert beschreibt er diesen und jenen Gedanken, erzählt die Genese eines Projekts, steht auf, setzt sich wieder, blättert, präsentiert stolz.

Mit dieser einnehmenden, überzeugenden, fröhlichen und gar nicht schrulligen Haltung besuchte er auch Landesregierungen, Bürgermeister und Konzernchefs, um diese zu überzeugen, dass sie nachhaltig mit den Ressourcen umgehen müssen. Er spürte besonders in den späten 80er-Jahren auch Ablehnung durch Angst vor höheren Kosten. Einmal landete eine Klage gegen ihn über fünf Millionen Euro auf seinem Tisch. Gege hatte in seiner Publikation "Umweltschutz im privaten Haushalt" geschrieben, dass das Putzen mit Holzschutzmitteln gesundheitsschädigend sein kann. Ein Unternehmen klagte, und Gege "hatte richtig Muffensausen, aber hallo". Auch wenn er sicher war, dass er im Recht sei, überschrieb er vorsichtshalber beim Notar sein Haus auf seine Frau und holte sich professionellen Rat. Die Klage wurde zurückgezogen, und Perfektionist Gege fühlte sich erneut bestärkt, engagiert weiterzukämpfen.

Der promovierte Betriebswirt, der seit 2001 als Professor an der Universität Lüneburg lehrt, wurde dafür vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, der Aufnahme in die Global 500 Roll of Honour der Vereinten Nationen, dem Club of Budapest Award und der Bayerischen Umweltmedaille. "Als ich als einziger Hamburger diesen bayerischen Preis gewonnen habe, das war ein echter Ritterschlag", so Gege mit einem Lächeln. "Das gebe ich zu, ich freue mich über solche Auszeichnungen. Ist doch besser, als wenn mir jemand eine reinwürgt."

Bis heute ist Maximilian Gege B.A.U.M.-Vorstandsvorsitzender, ist Mitglied in zahlreichen internationalen Gremien, beriet die chinesische Staatsregierung in Energie- und Umwelttechnik und die Regierung der Niederlande zur Nachhaltigkeitsstrategie, schreibt Bücher und Ratgeber, verfasst Gutachten und ist im Klimarat der Bundesregierung.

Er selbst sieht sich als "absoluten Netzwerker" und Vorbild, Gege lebt seine Ideen mit seiner Frau in einem Haus mit großem Garten und uralten Eichen in Hittfeld. Sie beziehen Ökostrom, haben eine Solaranlage auf dem Dach, benutzen Recyclingpapier und Energiesparlampen. Aber ihr Leben ist nicht stur auf Ökologie ausgerichtet, sie fliegen auch mal in den Urlaub, gerade waren sie in Split, und auf das passende E-Mobil wartet das Ehepaar auch noch. "Ich fahre mit dem Zug zur Arbeit, wenn es zu spät wird und abends keiner mehr fährt, dann holt mich meine Frau ab." Sie und seine beiden Söhne Christoph und Alexander hätten sowieso "Prio 1", schon immer. "Ich liebe meine Familie über alles, da gehe ich durchs Feuer", sagt Gege und klingt dabei genauso euphorisch, als wenn er über erneuerbare Energien spricht.

Um neben der Arbeit mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können, hängte er seinen geliebten Tennisschläger an den Nagel und beobachtete seine Söhne an den Wochenenden lieber auf den Fußballplätzen der Region. Stolz erzählt er von deren Sportlichkeit, "der Kleine spielt bei Buchholz 08 in der Oberliga". Der "kleine" Alexander ist mittlerweile 1,92 Meter groß und 28 Jahre alt, er arbeitet als Diplom-Politologe in einem internationalen Handelsunternehmen in Hamburg im Bereich Klimaschutz. Der 30-jährige Christoph ist noch drei Zentimeter größer und Kommissar bei der Hamburger Polizei. Beide tragen den sozialen Gedanken des Vaters weiter, haben seine Freundlichkeit und Empathie geerbt. "Christoph hat einmal einen Kaufhausdieb in Bergedorf geschnappt, ihn dann aber nicht sofort rüde angefahren, sondern ruhig und freundlich mit ihm gesprochen, sodass der richtig überrascht und dadurch kooperativ war."

Gege, der schon als Jugendlicher Klassensprecher, später Semestersprecher und Kapitän seiner Fußballmannschaft war, betrachtet es als Normalität, anderen zu helfen. "Luxus, das ist für mich ein Fremdwort", sagt er zum Beispiel, "aber ich freue mich, wenn ich spenden kann und andere damit unterstütze." So las er MS-Kranken vor, engagiert sich, nachdem er einen Fernsehbeitrag über indische Kinder, die lebenslang in Steinbrüchen arbeiten müssen, dafür, dass sie in Schulen gehen können, und gründete kurzerhand die Stiftung "Chancen für Kinder". "Meine Eltern haben mich so erzogen. Das war selbstverständlich, dass es wichtig ist, etwas zurückzugeben." Seine Mutter wird demnächst 86 Jahre alt, erzählt Gege und grinst dabei etwas schelmisch, "sie geht jeden Tag ins Altenheim. Aber nur, um den anderen etwas vorzulesen oder sie zu unterhalten, denn sie kann sich allein noch sehr gut selbst versorgen." Die Freude der Senioren gebe seiner Mutter wiederum Kraft und Antrieb - und vor allem eine Aufgabe.

Vielleicht ist der Ursprung für Maximilian Geges unermüdliches Engagement und seine Leidenschaft in den weiter zurückliegenden Genen zu suchen: Fest steht, dass im Jahr 1156 ein Vorfahre, ein Tiroler, nach Italien ging und den Namen "Heistracher" trug, wie Gege weiß. Er selbst machte sich mit seiner Frau per Fahrrad auf Spurensuche an den Chiemsee. Von dort stammt Maximilian Geges Mutter. Und dort fandden sie den Ursprung des Namens: "Kämpfte heiß wie ein Drache." Vielleicht auch ein vererbtes Familienmotto.

Gege übergibt den roten Faden an Stephan Hering-Hagenbeck, Geschäftsführer Tierpark Hagenbeck und B.A.U.M.-Preisträger, weil er ihn als einen nachhaltigen Unternehmer sieht. "Der Tierpark ist ökologisch ausgerichtet", sagt Gege, "und da gehen viele Menschen hin, die das erleben können."

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, die Besonderes für diese Stadt leisten, die in Hamburg als Vorbilder gelten. Den Anfang machte Altbürgermeister Henning Voscherau. In der vierten Folge vor einer Woche: Sandra Völker