Die Vorschläge von Merkel und Sarkozy, die von den Ländern abgesegnet werden sollen, sind nicht konsequent genug

Die Rettung der in Schieflage geratenen Euro-Länder beschäftigt die Parlamente und zwingt die Regierenden zum Handeln. Nach dem dramatischen Einbruch der Aktienkurse an allen wichtigen Börsen der Welt hatten sich Kanzlerin Merkel und der eilig aus dem Urlaub zurückgekommene französische Staatspräsident Sarkozy in Paris getroffen, um mit mutigen und innovativen Entscheidungen ihre Entschlossenheit zur Bekämpfung der Eurokrise zu dokumentieren und die Kapitalmärkte zu beruhigen.

Das Gegenteil ist eingetreten. Die Aktienkurse sackten danach weiter ab - der deutsche Aktienindex DAX um mehr als zehn Prozent - und haben sich kaum erholt. Dies ist zu einem guten Teil auf die Enttäuschung der Kapitalmärkte über das Ergebnis des Treffens zurückzuführen. Ist die Reaktion der Märkte gerechtfertigt?

Nach sorgfältiger Analyse des von beiden Politikern unterzeichneten Briefes an den europäischen Ratspräsidenten Van Rompuy meine ich, dass die Börse richtig reagiert hat. Die Vorschläge sind keineswegs geeignet, die Probleme der Eurozone zu lösen. Sie sind (1.) überwiegend nicht neu, (2.) teils zwar richtig, aber zu schwammig, (3.) nicht praktikabel oder (4.) sogar falsch.

Zu den altbekannten Absichten der ersten Kategorie gehört das Ziel, die Stabilität zu "erhöhen" und das Wachstum "voranzutreiben", sowie die Mahnung, die EU-Gipfelbeschlüsse vom 21. Juli 2011 bis Ende September von den nationalen Parlamenten absegnen zu lassen. Das ist eigentlich selbstverständlich.

Aus der zweiten Kategorie sind die Ausweitung der Befugnisse des Europäischen Stabilisierungs-Mechanismus (ESM) und vor allem der Einsatz des europäischen Strukturfonds hervorzuheben. Richtig ist, dass die Mittel des Fonds nun auch für die Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Länder eingesetzt und für Defizitsünder Zahlungen ausgesetzt werden sollen. Leider wird nichts darüber gesagt, wie dies auf der Grundlage der bestehenden EU-Verträge durchgeführt werden könnte.

Zu den nicht praktikablen Vorschlägen der dritten Kategorie gehört die prinzipiell richtige Forderung, dass alle Euro-Länder nach deutschem Vorbild eine Schuldenbremse in ihren Verfassungen verankern sollen. Dafür ist jedoch überall eine verfassungsändernde Mehrheit (meist Zweidrittelmehrheit) erforderlich, die man ohne Zustimmung der Opposition nicht erreichen kann. Eine gemeinsame Haltung von Regierung und Opposition bei der Schuldenbremse halte ich in vielen Ländern für schwer erreichbar oder unmöglich. Wenig praktikabel scheint mir auch eine gemeinsame Unternehmenssteuer zu sein, weil damit das nationale Budgetrecht massiv getroffen würde.

Gemäß der vierten Kategorie erscheint mir der Vorschlag, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, als falsch. Solange sich die britische Regierung aus Rücksicht auf den Finanzplatz London sträubt, bringt dies nichts, weil die Steuer umgangen werden kann, indem die Transaktionen über London oder New York abgewickelt werden. Ein Ergebnis des Gipfeltreffens ist in dem Brief an Van Rompuy gar nicht enthalten. Die Kanzlerin hat aus Koalitionsraison nicht den Mut gefunden, sich für gemeinsame Euro-Anleihen der Euro-Zone (Euro-Bonds) auszusprechen, Sarkozy wollte ihr nicht in den Rücken fallen. Das hat die Kapitalmärkte besonders enttäuscht.

Ich halte die Euro-Bonds zur Beruhigung der Märkte für unerlässlich und habe sie im Abendblatt am 7. Januar 2011 ausführlich analysiert. Dabei ist klar, dass nur die Länder ein Recht auf Euro-Bonds haben dürfen, die sich einer strikten und von der EU nachprüfbaren Haushaltsdisziplin mit planmäßigem Schuldenabbau unterziehen.

Die beiden Hauptvorteile der Euro-Bonds sind die Schaffung eines dem US-Markt gleichwertigen europäischen Anleihemarktes mit sehr hoher Liquidität und mäßigen Zinsen sowie der Schutz einzelner Euro-Länder vor Angriffen von außen. Dies sollte die Märkte beruhigen und die für die Gesundung der stark verschuldeten Länder benötigte Atempause ermöglichen. Politische Äußerungen, die Euro-Bonds seien "Teufelswerk" oder laut Wirtschaftsminister Rösler "Zinssozialismus", zeigen, dass die ökonomischen Zusammenhänge nicht verstanden worden sind.