Ex-Wissenschaftssenator Jörg Dräger fordert bessere Lehrer und mehr Ganztagsschulen

Hamburg. Wenn ein ehemaliger Hamburger Wissenschaftssenator "Wege aus der Bildungskrise" verspricht, ist ihm ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit gewiss. Besonders in der Hansestadt, wo die frühere schwarz-grüne Koalition mit der Idee der Primarschule so kläglich gescheitert ist.

Jörg Dräger hat in seinem neuen Buch "Dichter, Denker, Schulversager. Gute Schulen sind machbar - Wege aus der Bildungskrise" das deutsche Bildungssystem unter die Lupe genommen. "Jeder fünfte Jugendliche in Deutschland kann kaum lesen und rechnen, viel zu viele verlassen die Schule ohne Abschluss, viel zu viele haben keine Berufsausbildung", kritisiert Dräger, der seit 2008 Vorstand der Bertelsmann-Stiftung für den Bereich Bildung und Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) ist. Dieser Umstand sei nicht länger hinzunehmen.

Der frühere Politiker fordert einen umfassenden Ausbau der Kitas und Ganztagsschulen in Deutschland, um die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem zu verbessern: "Kinder sollten möglichst früh und möglichst lange zur Kita gehen." Wichtiger als ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr sei ein erstes kostenfreies Jahr, um einen Anreiz für einen möglichst frühen Kita-Besuch zu schaffen, von dem besonders Kinder aus bildungsfernen Familien profitieren würden. Dräger hält darüber hinaus die flächendeckende Einführung von Ganztagsschulen für unabdingbar, um Kindern, deren Eltern sind nicht ausreichend um die schulischen Belange kümmerten, einen qualifizierten Abschluss zu ermöglichen.

Entscheidend sei auch, alle Schüler individuell zu fördern, mit ihren unterschiedlichen Leistungsständen und Lerngeschwindigkeiten umzugehen. Dafür brauche es aber gute Pädagogen, von denen es nach Ansicht Drägers zu wenige gibt. "Der drohende Mangel an Lehrern darf uns nicht davon abhalten, unsere Lehrkräfte besser auszuwählen", schreibt der Ex-Senator. Um mehr Lehrer mit ausländischen Wurzeln auszubilden, die den vielen Schülern mit Migrationshintergrund ein Vorbild sein könnten, regt er ein spezielles Stipendienprogramm an.

Dräger hat sich in seinem Buch die große Gesamtschau auf das deutsche Bildungssystem vorgenommen. Er bezieht sich nur in Ausnahmefällen auf einzelne Bundesländer, und deshalb wirken seine Kritik und seine Forderungen manchmal etwas überholt. So ist nur wenig darüber zu lesen, dass Hamburg die Ganztagsschulen bereits erheblich ausgebaut und ein zweigliedriges Schulsystem eingeführt hat wie auch die Inklusion, also die Integration von Kindern mit Förderbedarf an Regelschulen.

Mutig erscheint, dass der Bildungsexperte sich nicht scheut, drastische Maßnahmen zu fordern, etwa wenn Eltern nicht dafür sorgen, den Nachwuchs rechtzeitig und regelmäßig in die Schule zu schicken. "In solchen Fällen sind finanzielle Sanktionen wie das Kürzen von Kindergeld oder Arbeitslosenhilfe sinnvoll und nötig." Laut Dräger sei es an der Zeit zu handeln, denn in der Politik werde "viel über Bildung geredet, einiges versucht und zu wenig bewirkt".

Heute erscheint Drägers Buch "Dichter, Denker, Schulversager", Deutsche Verlags-Anstalt. Es kostet 17,99 Euro