Thesen von Hochschulprofessor Rafael Behr im Abendblatt sorgen für Empörung. FDP unterstützt Forderung nach Coaching

Hamburg. Die Polizei jammert zu viel. Dass sie sich häufig als Opfer darstellt, ist unprofessionell: Das sind nur zwei Thesen, mit denen der Kriminologe Rafael Behr, Professor an der Hamburger Polizeihochschule, in der Diskussion über zunehmende Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber Polizeibeamten nun heftig aneckt. Nachdem er scharfe Kritik geübt hat, fordern die Polizeigewerkschaften nun seinen Rauswurf aus der Hochschule.

"Wer unter dem Deckmantel von Freiheit und Lehre der Wissenschaft einen ganzen Berufsstand öffentlich diskreditiert, beleidigt und herabwürdigt, ist offensichtlich fehl am Platze", sagt Joachim Lenders, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Für die DPolG sei es völlig inakzeptabel, dass ein Kriminologe, Dozent der Polizeihochschule und ehemaliger Kollege, ein verfälschtes und diffamierendes Bild der Kollegen zeichne. "Wir sind als Polizisten und Gewerkschafter einiges gewohnt, Attacken aus den eigenen Reihen gehören eher nicht dazu."

Rafael Behr, selbst 15 Jahre lang Polizist, hatte unter anderem kritisiert, dass jungen Beamten von Kollegen eingetrichtert werde, dass sie mit dem Rücken zur Wand stünden. Dadurch stufe der Polizist seine Umgebung von vornherein als feindlich ein.

Des Weiteren hatte Behr der Aussage des Innensenators Michael Neumann (SPD) widersprochen, dass die Gewalt gegen Polizisten stark zugenommen habe. Behr: "Zugenommen haben die subjektive Wahrnehmung, dass die Gewalt steigt, und die Situationen, die die Schutzleute als gewalttätig wahrnehmen."

Die DPolG ist fassungslos über die Ausführungen des 53-Jährigen. "Nach seinen Aussagen ist Professor Behr für die Ausbildung von Polizisten untragbar geworden", sagt Joachim Lenders. "Ich halte die Einleitung dienstrechtlicher Maßnahmen bis hin zur Ablösung für zwingend erforderlich."

Uwe Koßel, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), schließt sich dieser Forderung an. "Herr Behr ist nicht geeignet, weiter an der Polizeihochschule zu lehren." Er habe den Verdacht, dass der Kriminologe mit der Stelle des Präsidenten der Hochschule liebäugele. "Vielleicht möchte er sich deshalb profilieren", sagt Koßel. Vehement wehrt er sich gegen den Vorwurf, die Gewerkschaften seien die "Hauptjammerer. Es ist meine Aufgabe, für unsere Mitglieder einzustehen." Darüber hinaus habe Rafael Behr keine Ahnung, was heutzutage auf der Straße los sei. "Die Zeiten haben sich verändert - das sollte er zur Kenntnis nehmen."

Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hat eine klare Meinung zu den Ansichten des Professors. "Der Polizei, den Gewerkschaften und dem Personalrat vorzuwerfen, dass sie jammern würden, wenn sie diese Problematik deutlich benennen, ist frech", sagt André Schulz, BDK-Landeschef. "Da sollte jemand, der vor mehr als 20 Jahren seine letzten praktischen Polizeierfahrungen gemacht hat, vielleicht etwas vorsichtiger mit seinen Äußerungen sein." Behr habe sich damit selbst disqualifiziert. Schulz: "Er soll den Polizeinachwuchs unterrichten. Mit dieser Einstellung ist das zukünftig aber nur schwer denkbar."

Die Hamburger Polizei hält Behrs Ausführungen für eindimensional. "Bei den Äußerungen handelt es sich um Pauschalisierungen, die wenig hilfreich sind, um eine sachliche Diskussion zu führen", sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. "Die Polizei beschäftigt sich mit dem Thema Gewalt und Respektlosigkeit gegen Polizisten intensiv, hat unter anderem auch eine interne Befragung durchgeführt und Konsequenzen gezogen." Seit Jahren investiere die Polizei in die Optimierung von Aus- und Fortbildung. "Zudem wurden viele Vorschläge, die Herr Behr anspricht, bereits umgesetzt. Dass etwa Kollegen, die in Problemdienststellen arbeiten, regelmäßig eine Rotation ermöglicht wird, gehört längst zur Praxis."

Neben einem Rotationssystem und einem regelmäßigen Coaching für Beamte hatte Rafael Behr vorgeschlagen, dass nicht die Polizisten für Lehrgänge in die Schule müssen, sondern der Trainer zu den Beamten. So könnten Situationen im Alltag vor Ort erprobt und reflektiert werden. Es sind Ideen, die zumindest bei der FDP-Bürgerschaftsfraktion gut ankommen. "Behrs Vorschläge für Veränderungen in der Ausbildung, vor allem zu verstärkten Beratungs- und Coaching-Angeboten im Rahmen der Fortbildung, halten wir für richtig", sagt der innenpolitische Sprecher Carl Jarchow. Dagegen sei die Unterstellung, Polizei-Verbandsfunktionäre würden gerne jammern, bei der Problemlösung wenig hilfreich. Kai Voet van Vormizeele, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, betont: "Der Senat ist gefordert, der Fürsorgepflicht für seine Beamten aktiv nachzukommen." Jeder Polizist könne erwarten, dass man ihm und seiner Arbeit respektvoll begegne.