Der Entwurf für die neue Gegengerade in St. Paulis Stadion sorgt für Gesprächsstoff. Entscheidung über Realisierung Mitte Oktober

Hamburg. Es ist das Thema, das nicht nur die Fans des FC St. Pauli, sondern einen ganzen Stadtteil bewegt. Am Sonnabend hatte das Abendblatt exklusiv über die spektakulären Pläne rund um den Neubau der Gegengerade des Millerntor-Stadions berichtet. Schon bevor das Fanzine "Übersteiger" anschließend eine erste Abbildung des von Hamburger Kreativen ins Rennen geschickten Entwurfs in Form einer überdimensionalen Welle ins Internet stellte, waren lebhafte Diskussionen über dessen Für und Wider im Gang.

Während Gegner die mögliche höhere finanzielle Belastung des Kiezklubs gegenüber dem konkurrierenden konservativen Modell anführten und die Welle ungesehen als PR-Gag und Marketingstrategie ablehnten, verwiesen Befürworter ebenfalls schon mal vorab auf die Unverwechselbarkeit, die das Millerntor mit der Welle umso mehr hätte. Auch gestern Abend rund um St. Paulis Spiel gegen den MSV Duisburg (siehe Seite 25) gab es auf den bestehenden Rängen reichlich Gesprächsbedarf, zumal mittlerweile neue Ansichten der Entwürfe vorlagen.

Während sich die Variante des Architekturbüros ar.te.plan aus Dortmund wie ursprünglich vom Verein angedacht an den bislang vollendeten Bauabschnitten, sprich der Süd- und Haupttribüne orientiert, wirkt die Welle tatsächlich einzigartig, ja fast bedrohlich. Vom Heiligengeistfeld aus würde sich der Bau mit Platz für etwa 14 000 Anhänger in Richtung Spielfeld aufbäumen. Es gibt zwei Varianten dafür, in welcher Abfolge Steh- und Sitzplätze darauf angeordnet werden sollen. Sicher ist, dass es drei Stehoberränge und einen Sitzoberrang gibt. Fest steht zudem, dass sich die oberen Ränge zurück in Richtung Spielfeld staffeln und so näher als bei einer gewöhnlichen Konstruktion ans Spielfeld heranragen würden. "Wir müssen nicht immer anders sein", sagt St. Paulis Vizepräsident Gernot Stenger, "aber so ein Unikum hätte schon seinen Reiz."

Grundlage für die wohl weltweit einzigartige Gestaltung sei ohnehin gewesen, den Fans eine größtmögliche Nähe und freie Sicht zum Spielfeld zu ermöglichen, sagt Timothy Pape. Der 36-Jährige ist Architekt beim Hamburger Kreativlabor Interpol, das gemeinsam mit dem Frankfurter Ingenieurbüro OSD und dem Architekturbüro Werkstatt Zwei an den Plänen arbeitet. Ursprünglich aus eigenem Antrieb. Denn einen offiziellen Auftrag des FC St. Pauli erhielten die Kreativen erst vor sechs Wochen, nachdem sie das Präsidium mit ihren ersten Entwürfen überzeugt hatten. Das Team von Interpol ist nach eigenem Bekunden seit 20 Jahren selbst regelmäßig auf der Gegengerade präsent, aktuell in der von Interpol gestalteten Bretterbude. "Wir haben uns gesagt, dass es nicht sein kann, dass die Gegengerade zu einer stinknormalen Tribüne wird", sagt Pape, "dass das Millerntor am Ende so aussieht wie die Stadien in Hoffenheim, Ingolstadt oder Mainz." Jetzt wünscht sich Pape ob der von ihm wahrgenommenen Tendenz, "das Gewohnte zu wiederholen", einen fairen Entscheidungsprozess. Er beteuert, dass es nicht darum gehe, mit der Welle eine "Show zu machen". Vielmehr sei sie aus der Sicht der Fans gestaltet.

OSD-Gesellschafter Harald Kloft beschreibt den Entwurf als emotional ehrlich. Obwohl die Tribüne spektakulär aussehe, sei sie klar gestaltet. In der kommenden Woche müssen die Architekten ihre endgültigen Pläne beim Verein abliefern, anschließend folgt die Kostenkalkulation aufseiten des mit dem Bau des Millerntor-Stadions beauftragten Generalunternehmers, der Hellmich Gruppe aus Dinslaken. Von dieser dürfte abhängen, für welchen Entwurf sich der Verein schließlich Mitte Oktober entscheiden wird. "Am Ende werden wir die wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit abwägen müssen", sagt St. Paulis Geschäftsführer Michael Meeske, der betont, dass die technische Machbarkeit der Welle aus Vereinssicht noch nicht geklärt sei. Bei einer ersten Machbarkeitsstudie war für diese ein Kostenrahmen von 10,75 Millionen Euro angesetzt worden. Eine Zahl, die jedoch ebenso wie die geplanten neun Millionen Euro für die gewöhnliche Form nur einen Richtwert darstellt.