Dem Lustmolch von Kiel steht die Welt weiterhin offen - nur nicht als Ministerpräsident

"Ist über 14 Jahr doch alt", sagt der emeritierte Professor Faust bei Goethe, als es selbst dem kuppelnden Teufel Mephistopheles zu viel wird, wie der durch einen Zaubertrank verjüngte ältere Herr über die mädchen- und gretchenhafte Unschuld herfallen will. In Liebe entflammt. Und die kupplerische Zofe Despina in Mozarts Oper "Così fan tutte" rät ihren jungen Herrinnen: "Eine Frau von fünfzehn Jahren muss alles wissen: wie man am besten ans Ziel kommt, was gut ist und was böse. Sie muss die kleinen Kniffe kennen, um die Männer zu betören." Goethe selbst wollte als 70-Jähriger eine 17-Jährige ehelichen.

Christian von Boetticher, CDU-Politiker in Schleswig-Holstein, ist Jurist wie Goethe. Und er wähnte sich, als er sich seine blutjunge Lebensabschnittsgefährtin per Facebook schoss, auf der sicheren Seite. Er 40, sie 16, das Altersverhältnis viel günstiger als bei Faust, die Zeiten viel liberaler. Er war ledig, sie vor dem Gesetz in geschlechtlicher Hinsicht volljährig.

Sicher, er war das, was Franz Josef Wagner als Tochtervater so trefflich formulierte, ein "Lustmolch". "Lustmolchen" ist ein Freizeitvergnügen und nicht strafbar und wird teils toleriert, teils nicht. Laut Goethe ist erlaubt, was gefällt. Goethe wusste auch gleich, in Gedichtform: "Eines schickt sich nicht für alle! / Sehe jeder wie er's treibe, Sehe jeder, wo er bleibe. / Und wer steht, dass er nicht falle!" "Hammer oder Amboss" soll man laut Goethe sein.

Boetticher wusste 2010 noch nicht, dass er bald Hammer, also Ministerpräsident werden sollte. Und landete auf dem Amboss. Ein Lustmolch als eventueller Regierungschef, das gibt es nur in Bayern. Boetticher selbst hat es in seiner Rücktrittserklärung so formuliert: "Es gab im Frühjahr 2010 noch keinen Hinweis auf Neuwahlen."

Glück in der Liebe, Pech in der Politik. Wer die Wahl hat, hat die Qual. Moral ist, wenn aus heiterem Himmel Landtagswahlen über eine verflossene Liebe hereinbrechen.

Im Internet wie bei Facebook schläft die Konkurrenz nicht. Jeder anständige Beruf steht einem Lustmolch jedoch künftig offen.