Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über Kurioses und Spannendes aus den Hamburger Gerichtssäälen.

Hamburg. Die Streithähne waren schon wieder friedlich. Hatten sich vertragen, einander unter den aufmerksamen Augen der Polizei versöhnlich die Hände gereicht und wohl noch irgendetwas gemurmelt, was man sinngemäß als "Nix für Ungut" interpretieren könnte. Und auch das Opfer ließ keinen Zweifel daran, dass es nicht die Spur Interesse daran hatte, dass der Fall als Straftat verfolgt wird. Also eine Bagatelle eigentlich, und alles hätte damit erledigt sein können, glimpflich, ohne juristisches Nachspiel - wenn, ja wenn die beiden Männer ihren Streit nicht ausgerechnet in einem öffentlichen Verkehrsmittel ausgetragen hätten.

Doch so war die sehr handfest ausgetragene Auseinandersetzung nun nicht mehr allein ihre eigene Angelegenheit, das öffentliche Interesse aus Sicht der Staatsanwaltschaft gegeben und eine Strafverfolgung geboten. Deshalb sitzt jetzt Waldemar F. vor dem Amtsgericht, ein eher fülliger Mann mit blondem Zopf, und muss sich wegen Körperverletzung verantworten, weil er Ende April laut Anklage in einem Bus mit den Fäusten auf einen Bekannten eingeprügelt hatte und das Opfer eine Schwellung im Gesicht davontrug.

Waldemar F. ist keiner, der lange um den heißen Brei herumredet. Klare Aussage, klare Verhältnisse. Und so räumt der 42-Jährige auch unumwunden ein, zuerst zugeschlagen zu haben, als er zufällig in einem Bus auf seinen Bekannten traf. "Der Ärger fing aber schon viel früher an, bei der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr", erzählt er mit heiserer Stimme. Schon damals seien sie aneinandergeraten. Nicht, dass sie unterschiedlichen Mannschaften zugejubelt hätten. "Es spielte noch nicht mal Deutschland oder so", skizziert er seine Prioritäten. Doch sein Bekannter habe ihn grundlos unglaublich provoziert, Schimpfwörter seien nur so auf ihn niedergeprasselt.

Seitdem sei er ihm möglichst aus dem Weg gegangen, habe "einen großen Bogen um ihn gemacht. "Und auch in den Bus wäre ich niemals eingestiegen, wenn ich rechtzeitig gesehen hätte, dass er drin sitzt", beteuert der Angeklagte.

Doch dann, ausgelöst durch die unfreiwillige Nähe, habe sein Bekannter ihn erneut furchtbar gereizt. "Er hat mich angeschrien, ich habe ihn angeschrien." Und da habe er schließlich zugeschlagen - in keinerlei Hinsicht ein unbedingt weiser Entschluss. "Ich wusste, dass der andere ein guter Boxer ist", erzählt er. Letztlich hat Waldemar F. denn auch die körperliche Überlegenheit seines Kontrahenten heftig zu spüren bekommen. Zwei bis drei Hiebe habe er ihm verpasst, dann habe der andere zurückgehauen. "Da fiel ich um und war gleich k. o." Warum er denn überhaupt mit den Schlägen angefangen habe, wenn er wisse, dass sein Bekannter ein guter Kämpfer ist, will der Richter wissen. "Fragen Sie mich was Leichteres", schnaubt Waldemar F. "Vielleicht schlicht aus Angst."

Der 42-Jährige hätte wohl besser daran getan, sich vor allem um seine Freiheit zu sorgen. Belastet ist er mit einem dicken Vorstrafenregister mit mehr als 30 Eintragungen, die meisten wegen Diebstahls. Und zuletzt kassierte er zwei Bewährungsstrafen, die bei einer neuen Verurteilung widerrufen werden könnten. Der Hamburger riskiert also, schon wegen einer minder schweren Straftat ins Gefängnis zu kommen. "Wie jemand so leichtfertig mit seiner Bewährung spielen kann, verstehe ich nicht", wundert sich denn auch der Richter und betrachtet ein Foto des Opfers aus der Akte, das die Gesichtsverletzung des Mannes dokumentiert. "Zumindest einer Ihrer Schläge hat ja ordentlich gesessen." Der Richter gibt ein Rezept mit auf den Weg, wie sich Waldemar F. deutlich sinnvoller hätte verhalten können - ohne Keilerei und ohne dass andere Fahrgäste belästigt werden: wieder einen Bogen um seinen Widersacher machen. "Ein Bus ist nicht so klein, dass man sich nicht aus dem Weg gehen könnte."

Und auch der Staatsanwalt redet dem Angeklagten gehörig ins Gewissen: So ein Verhalten, wie es der 42-Jährige an den Tag legte, "hat in einem öffentlichen Verkehrsmittel absolut nichts zu suchen". Eine Geldstrafe in Höhe von 420 Euro verhängt der Amtsrichter schließlich.

Dass die Schlägerei in einem Bus stattgefunden habe, "kann Konsequenzen für die Allgemeinheit haben", erklärt der Richter. Welche fatalen Folgen es nach sich ziehen könne, wenn sich Leute in einem öffentlichen Verkehrsmittel prügeln, sei gerade in der vergangenen Woche deutlich geworden - als eine S-Bahn wegen einer Schlägerei zwischen mehreren Leuten in einem Tunnel anhalten musste und unter den Fahrgästen Panik ausbrach.