Ein Kommentar von Joachim Mischke

Sofia Gubaidulina ist die erfolgreichste und bekannteste Komponistin unserer Zeit. Sie wohnt seit 1992 bei Pinneberg, wurde 2007 mit dem Hamburger Bach-Preis geehrt. Zu ihrem 80. Geburtstag am 24. Oktober wird ihr weltweit gratuliert - Amsterdam, Luzern, San Francisco, Moskau, Ehrendoktorwürde in Chicago ... Den Polar-Preis, den Nobelpreis der Musik, hat sie übrigens schon seit 2002.

Und was kam nun mit der Post? Ein NDR-Programmflyer für ein fünftägiges Gubaidulina-Festival im November. Aber nicht etwa in der selbst ernannten Musikmetropole Hamburg, wo der NDR das Hausorchester der Elbphilharmonie stellt und so, ab wann auch immer, Motor der Bewegung nach ganz oben sein soll. Nein, das Festival findet in Hannover statt. Nichts per se gegen Hannover, man muss ja auch mal gönnen können. Aber das ist öffentlich-rechtlicher Proporz, wie man ihn nicht erleben möchte. In Hamburg ist bislang nur ein Gubaidulina-Gesprächskonzertchen in der Freien Akademie in Sicht und ein NDR-Porträtkonzertchen im Rolf-Liebermann-Studio. Vom Komponisten-Kollegen und Wahl- und Qual-Hamburger György Ligeti ist der ebenso wahre wie garstige Satz überliefert, er sei in Hamburg sehr unberühmt und sehr unaufgeführt.

Abrundung und Perfektion erfährt diese Peinlichkeit durch das Flyer-Titelbild. Dort schmunzelt einen unter dem Tarnnamen "Sofia Gubaidulina" eine sehr attraktive Brünette, geschätzte 35, im schulterfreien Kleid an: die Geigerin Anne-Sophie Mutter. Das ausdrucksstarke Porträt der Jubilarin wurde auf Seite 2 verbannt. Herzlichen Glückwunsch!