Im Krankenhaus Jerusalem hat ein Lokal mit feiner Küche eröffnet. Das Santé soll später auch die Patienten in der Klinik versorgen.

Hamburg. Am besten gehen die Schmorgerichte, warm und dampfend, mit viel Sauce und Kartoffelpüree. Was Mütter so kochen, wenn die Kinder kränkeln. "Wohlfühlessen", sagt Julia Dorandt, 33, Geschäftsführerin des Restaurants Santé. Auf Deutsch heißt der französische Name "Gesundheit". Und er ist Programm im Krankenhaus Jerusalem am Moorkamp, unter dessen Dach das Gasthaus jetzt eröffnet hat.

"Wir wollen den Patienten Abwechselung und auch mal etwas Schönes bieten", sagt Eckhard Goepel, Arzt und einer der vier Gesellschafter der Klinik. Krankenhauskantinen seien oft frustrierend und trist, auch das Essen habe zu Recht einen schlechten Ruf. "Wir glauben aber, dass gutes Essen auch zur Gesundung beiträgt", sagt Goepel.

Vor fünf Jahren kam den Gesellschaftern daher die Idee, ein neues Gastronomiekonzept zu entwickeln. Noch ist das Restaurant nur ein zusätzliches Angebot, das sich an Patienten ebenso richtet wie an Gäste von außen. Aber in ein, zwei Jahren, so der Plan, sollen auf den Stationen kleine Außenstellen eröffnen: offene Zwischenküchen, wo die Patienten Sonderwünsche äußern können, die das Restaurant erfüllt. Dann gibt es im Krankenzimmer Zander und Ochsenbäckchen statt Hühnerfrikassee mit Fertigknödeln.

Nachhaltig und besonders sind die Zutaten der Küche, geliefert von kleinen Betrieben in der Nähe. Der Ziegenkäse kommt aus einem Hof bei Cuxhaven. Und aus dem Alten Land werden knorrige Wurzeln bezogen, historische Gemüsesorten wie pink-weiß gekringelte Bete oder Goldball-Rübchen.

Anfangs, sagt Julia Dorandt, habe es außerhalb des Krankenhauses viele skeptische Reaktionen gegeben. Ein Restaurant im Krankenhaus? Das klang nach Bademänteln neben Abendgarderobe, nach Plastiktabletts und Tropf. Die Realität sieht ganz anders aus. Nur wenige Meter von den Stationen entfernt werfen nun Lampen ein warmes Licht auf Blumentapeten, ein bis zu sieben Meter hoher Dachstuhl aus dunklem Holz erstreckt sich über Sitzecken, Sofas und eine offene Küche.

Hinter dem Herd steht der frühere Tafelhaus-Koch Adrian Smith, 29, schwenkt Pfifferlinge, hackt Wildkräuter und mörsert Piment. Geschmorten Frisée gibt es, geschmolzene Ochsenherz-Tomaten und Iberico-Schweinekotelett. Dazu ein selbst gemachter Rhabarber-Vanille-Saft oder Champagner. Ein bisschen Trost in traurigen Tagen, ein Anstoßen auf die Gesundheit. Oder ein knallender Korken, wenn alles doch wieder gut zu werden scheint.

Das Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem ist das größte Brustkrebs-Zentrum Deutschlands. Etwa 50 Patientinnen sind zeitgleich auf den Stationen untergebracht. Die Klinik ist klein, die Hoffnungen und Ängste dafür umso größer. Immer wieder sprechen Ärzte hier bittere Diagnosen aus.

Das Santé ist da wie ein Rückzugsgebiet aus dem Krankenhausalltag. Die Patientinnen, die herkommen, wollen sich etwas gönnen, mal wieder schick ausgehen und ein bisschen feiern. Nachmittags kommen sie hier mit ihren Angehörigen zusammen, um der sterilen Krankenhausatmosphäre bei Selbstgebackenem und Kaffee zumindest für ein paar Stunden zu entfliehen. "Einmal waren zwei Frauen da, von denen eine am nächsten Tag entlassen wurde", sagt Julia Dorandt. "Die haben darauf angestoßen, sich hier hoffentlich nie wiederzusehen."

Noch wird das tägliche Krankenhausessen von außwärts geliefert. Nach dem Umbau der Klinik soll die Küche dann auch die Stationen bedienen. Für die Patientinnen würde das bessere Essen nichts kosten - auch, weil ihre Anzahl übersichtlich ist.

Kann das Modell Jerusalem Vorbild für andere Krankenhäuser sein?

"Für uns wäre das nicht realistisch", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Maria Theis vom Diakonie-Klinikum Hamburg. 320 Patienten werden durchschnittlich in ihrem Neubau aus einer Küche versorgt, die meist auf teilweise vorgefertigte Essen zurückgreifen muss. "Wir haben weder Räume noch Personal, um die Kartoffeln noch selbst zu schälen", sagt Thies. "Finanziell ist das kaum möglich." Im Israelitischen Krankenhaus in Alsterdorf gibt es zwar schon eine "Exklusiv-Station", in der auch mal Lachsschnitten statt Hacksteak aufs Tablett kommt. Die aber steht nur den Privatpatienten zur Verfügung.

Im Jerusalem-Krankenhaus sollen die Zusatzkosten vor allem durch die Einnahmen des Restaurants gedeckt werden. Dann, sagt Julia Dorandt, bezahlen die Gäste mit ihrer Mahlzeit das Krankenhauskonzept gleich mit.