Die Hochrechnungen über künftig teureren Strom sind nicht seriös. Die wahren Kosten werden verschleiert, sagt ein Experte

Der Beschluss zum endgültigen Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland scheint die Kritiker einer Energiewende anzuspornen, immer neue Horrorzahlen über die vermeintlichen Kosten einer nachhaltigen Energieversorgung in den Ring zu werfen. Frei nach dem Motto: Wer bietet mehr? Mit einer seriösen Betrachtung und Bewertung von Kosten und Nutzen der Energiewende hat das allerdings nichts zu tun. Denn isolierte Hochrechnungen voraussichtlicher Einspeisevergütungen reichen für eine umfassende Bewertung erneuerbarer Energien nicht aus. Es müssen immer auch ihr hoher ökonomischer Nutzen und vor allem die wahren Kosten der fossilen Energieträger im Vergleich betrachtet werden.

Dann zeigt sich: Erneuerbare Energien sind fossilen und atomaren Energieträgern gegenüber nicht nur ökologisch, sondern auch volkswirtschaftlich betrachtet überlegen. Im Jahr 2010 haben die erneuerbaren Energien Umweltschäden in einer Höhe von 8,4 Milliarden Euro vermieden. Das sind Kosten, die durch die Verwendung fossiler und atomarer Brennstoffe entstanden wären, vom Verbraucher aber nicht über die Stromrechnung, sondern letztlich durch andere Abgaben und Steuern bezahlt werden müssen.

Hinzu kommt, dass die Erneuerbaren allein 2010 fossile Energieimporte im Wert von 7,4 Milliarden Euro überflüssig gemacht haben. Damit mindern regenerative Quellen nicht nur wirtschaftliche Risiken, sie verringern die Abhängigkeit von Energieimporten insgesamt. Statt Milliarden für Öl-, Kohle- und Gasimporte ins Ausland zu überweisen, bedeutet der Ausbau der heimischen erneuerbaren Energien eine hohe inländische Wertschöpfung. Das wird auch an den rasant steigenden Arbeitsplatzzahlen deutlich. Im Sektor der Erneuerbaren arbeiten hierzulande 370 000 Menschen.

Gerade Hamburg und Norddeutschland können von der Entwicklung der Erneuerbaren profitieren. Die Region verfügt über ein überdurchschnittliches Angebot an hoch qualifizierten Mitarbeitern, die zahlreichen Wind- und Solarstandorte entwickeln Spitzentechnologien und garantieren Städten und Gemeinden hohe Gewerbesteuer- und Pachteinnahmen.

Der Umbau unserer Energieversorgung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Es ist jedoch mehr als fragwürdig, wenn angesichts notwendiger Investitionen in eine dauerhaft verfügbare und bezahlbare Energieversorgung Untergangsgesänge für die deutsche Industrie angestimmt werden. Denn gerade stromintensive Unternehmen profitieren schon heute von niedrigeren Börsenstrompreisen durch die Erneuerbaren. Im letzten Jahr betrug dieser Effekt immerhin rund drei Milliarden Euro.

Und wer immer nur mit dem Strompreis argumentiert, sollte auch folgende Tatsachen nicht verschweigen: Insbesondere die Atomkraft birgt immense finanzielle Risiken für die Gesellschaft. Wenn es zum Katastrophenfall wie jüngst im japanischen Fukushima kommt, steigen die Kosten für die Schäden ins Unermessliche. Wie in Japan müssten dafür auch hierzulande die Bürgerinnen und Bürger aufkommen. Würden die Kraftwerksbetreiber verpflichtet, ihre Meiler adäquat gegen solche Schäden zu versichern, würde Atomstrom unbezahlbar. Schon die Folgekosten für die nach wie vor ungeklärte Entsorgung des Atommülls sind unkalkulierbar. Fest steht jedoch: Auch diese Zeche wird größtenteils der Steuerzahler begleichen.

Die erneuerbaren Energien hingegen haben nicht nur geringe Risiken, sondern auch ehrliche Preise. Sie werden transparent ermittelt und sind dauerhaft bezahlbar. Die Einspeisevergütung für regenerativen Strom bildet die Kosten für die Technologien direkt ab, Versicherungs- und Entsorgungskosten inklusive. Außerdem sinken die Kosten durch technische Fortschritte von Jahr zu Jahr. Dennoch wird immer wieder behauptet, die erneuerbaren Energien machten Strom teuer, Atomkraft dagegen verbillige ihn. Das zeigt, wie unehrlich die Debatte geführt wird.

Nur wenn die wahren Kosten aller Energieträger offengelegt werden und gleichzeitig der hohe volkswirtschaftliche Nutzen der erneuerbaren Energien berücksichtigt wird, können Politik und Verbraucher den Preis der Energiewende tatsächlich beurteilen und nachhaltige Entscheidungen treffen.