Die neue soziale Plattform Google+ will den Konkurrenten Facebook überrollen. Titanenkampf um Millionen Nutzer im Internet

Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Mark Zuckerberg und Google-Gründer Larry Page ist vorbei. In der Liste der beliebtesten Nutzer des neuen sozialen Netzwerks Google+ belegten sie eine Weile lang die ersten beiden Plätze. Doch ausgerechnet Zuckerberg verzeichnete die meisten "Follower", also andere Nutzer, die sich dafür interessieren, was der Facebook-Chef in der Höhle des Löwen so trieb. "Wieso überrascht es jeden, dass ich einen Google-Account habe?", beschwerte er sich. Nun wurden nicht nur Zuckerberg, sondern auch Page und die engsten Mitarbeiter aus seinem Umfeld aus den offiziellen Statistiken entfernt, ihre Accounts sind vor den Blicken der neugierigen Öffentlichkeit verborgen. Und das, obwohl Zuckerberg noch vor nicht allzu langer Zeit verkündete, Privatsphäre sei im Zeitalter der sozialen Netzwerke überholt.

Das Rennen zwischen den "Kindern" der beiden Internet-Visionäre geht aber weiter. Es ist eine Aufholjagd. Wird Google+ den von 750 Millionen Menschen genutzten Marktführer Facebook überflügeln können? Die zehn Millionen Anmeldungen in den ersten vier Wochen waren nicht mehr als ein guter Start. Über Sieg oder Niederlage entscheiden viele Faktoren - etwa die Verknüpfung mit anderen Online-Angeboten oder die Integration in mobile Geräte. Hier hat Google wegen seiner Dienste wie Google Maps oder YouTube sowie seines Handy-Betriebssystems Android Rückenwind. Wird Facebook bald an den Rand der Bedeutungslosigkeit gedrängt, wie die einstigen Überflieger StudiVZ oder MySpace?

Google macht eine Menge richtig. Es vereint die besten Funktionen der Konkurrenten, wirkt durchdachter und intuitiver als Facebook und das auf kurze Textmeldungen reduzierte Twitter. Google+ ist Nachrichtenzentrale und Kontaktbörse. Man kann sich zu Videochats mit bis zu zehn Personen treffen und über die Foto-Community Picasa Bilder austauschen. Kurz: Google versucht nicht weniger, als die eierlegende Wollmilchsau unter den sozialen Netzwerken zu erschaffen.

Weil sich zunächst nicht jeder bei Google+ anmelden konnte, hat sich dort eine leichte Herablassung gegenüber den (Noch-)Facebook-Nutzern eingeschlichen. Es kursieren sogar Embleme, mit denen man kundtun kann, dass man zur "1. Generation" der Google+-Nutzer gehört. Seltsam ist, dass man ständig von Leuten hinzugefügt wird, deren Namen man noch nie gehört hat. Immerhin: So mancher bei Google+ hat tatsächlich etwas zu sagen. Die Diskussionen scheinen konstruktiver und nicht so kakofonisch wie auf Mark Zuckerbergs Kontaktflohmarkt.

Der laxe Umgangston, das "Jeder-ist-mit-jedem-befreundet", der das Leben auf Facebook auszeichnet, ist bei Google+ einer intellektuellen Nabelschau gewichen. Und dann vermisst man sie eben doch, die zusammengewürfelten Facebook-Freunde mit ihren manchmal klugen, mitunter kreuzdämlichen Kommentaren. Mag sein, dass das daran liegt, dass auf Google+ derzeit vor allem die "early adopters", also die Trendsetter der Netzwelt, unterwegs sind. Mag sein, dass mit steigenden Nutzerzahlen auch das alltägliche Chaos Einzug hält.

Google+ kann der Zukunft gelassen entgegensehen. Denn hier fordert nicht etwa Zwerg einen Riesen heraus. Vielmehr schickt sich ein übermächtiger Konzern an, einen der wenigen Konkurrenten zu überrollen, der ihm noch das Wasser reichen kann. Facebooks ganzes Kapital sind seine vielen Nutzer. Laufen sie in Scharen zur Konkurrenz über, steht Zuckerberg mit dem Rücken zur Wand.

Googles Übermacht ist zugleich aber auch ein Handicap. Was Google auch tut, um den Datenschutz zu verbessern - es wird immer das mulmige Gefühl bleiben, dass man dem Konzern, der das Wissen der digitalen Welt verwaltet, restlos ausgeliefert ist.

Mark Zuckerberg will vor allem eines nicht verpassen: den Anschluss. Deshalb hat Facebook gerade ein neues Gruppensystem und neue Funktionen bekommen, zum Beispiel einen Videochat. Ob das auf Dauer reichen wird, um der heranpreschenden Wollmilchsau Einhalt zu gebieten, ist aber eher unwahrscheinlich.