Die Nationalitäten, die politischen Kulturen sind viel zu unterschiedlich, als dass man sie alle unter einen Hut bringen könnte

Puh, gerade noch mal gut gegangen! Nichts wie weg in den Urlaub! Das werden sich die meisten deutschen Politiker nach dem Euro-Rettungsgipfel vom 22. Juli gedacht haben - und ihre Wähler auch. Alle gemeinsam hoffen, dass der Rettungsschirm für Griechenland und andere diesmal länger, vielleicht sogar dauerhaft hält. Aber Gewissheit gibt es nicht.

Dass Europa und der Euro für Deutschland bisher gut waren, dass sie Frieden, freie Grenzen und Wohlstand garantierten - diese Erkenntnis muss man den Deutschen nicht erst eintrichtern. Man darf ihnen aber auch nicht übel nehmen, wenn sie skeptisch in die Zukunft blicken.

Viele Wirtschaftsexperten behaupten: Mit den Euro-Rettungspaketen sind die Regierungen der EU-Staaten schon viel zu weit gegangen, weil jetzt die Starken (vor allem Deutschland) dauerhaft für die Schwachen zahlen müssen. Andere Experten und viele Politiker fordern dagegen: Wir müssen noch viel weiter gehen, Europa braucht eine einheitliche Finanzpolitik, braucht eine gemeinsame Regierung.

Selbst der ehemalige CSU-Chef Edmund Stoiber, jahrzehntelang ein EU- und Euro-Skeptiker, macht sich jetzt im "Spiegel" einen Satz des Grünen Joschka Fischer zu eigen: "Erst wenn der französische Präsident oder die deutsche Bundeskanzlerin den Anspruch erhebt, Präsident der Europäischen Kommission zu werden, ist Europa dort angekommen, wo es ankommen sollte."

Alle Macht nach Brüssel also - wenn Politiker dieses Kalibers an die EU-Spitze drängten, würden sie auch das alleinige Sagen beanspruchen, müssten die 27 Mitgliedstaaten noch mehr Kompetenzen und Rechte abgeben. Doch dazu ist Europa mit seinen 500 Millionen Einwohnern viel zu groß. Die Nationalitäten, die politischen Kulturen sind viel zu unterschiedlich, als dass man sie alle unter einen Hut packen könnte. Im Gegenteil: Europa braucht den Wettbewerb der Mitgliedstaaten untereinander, braucht immer wieder die Zustimmung der einzelnen Völker zur gemeinsamen Politik.

Europa wird so organisiert bleiben, wie es ist. Weitergehende Utopien lenken nur vom Tagesgeschäft ab - dieses kann allerdings deutlich besser werden. Da kann auch Deutschland viel mehr tun, um Europa zu stärken, ohne sich selbst zu schwächen. Bundeskanzlerin Angela Merkel war zum Beispiel vor zwei Jahren aktiv daran beteiligt, den Belgier Herman Van Rompuy zum ständigen Ratspräsidenten (schwache Besetzung) und die Britin Catherine Ashton zur EU-Außenbeauftragten (Fehlbesetzung) zu machen. Der kleinste gemeinsame Nenner bei diesen Personalien hat Europa kleingemacht.

Unangemessen war es auch, wie Merkel den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) auswählte: Er wurde nach Brüssel abgeschoben, weil er als Ministerpräsident von Baden-Württemberg schwächelte. Künftig sollte dieses Amt in einem offenen Verfahren vergeben werden.

Mit gutem Willen und Können lässt sich Europa besser führen als bisher. Vielleicht war der jüngste Rettungsgipfel ein erster Schritt dahin. Auch die Überlegungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble, als Gegenleistung für Hilfe künftig in die Politik von Schuldenstaaten einzugreifen, klingen hart, aber fair. Wenn es ums Geld geht, ist praktische Klugheit wichtiger als die oft beschworene europäische Leidenschaft. Klugheit macht Leidenschaft erst möglich. Dass es für deutsche oder französische Politiker weiter das größte Ziel bleibt, Regierungschef im eigenen Land zu werden, schadet Europa nicht.