Es ist nicht auszuschließen, dass US-Präsident Barack Obama in schwachen Momenten derzeit ein wenig den Enthusiasmus bereut, mit dem seine Administration im Frühsommer die Bestallung der Französin Christine Lagarde zur Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) betrieben hat.

Aus der Washingtoner Beletage der mächtigen Finanzorganisation geißelt die Frau mit der eisgrauen Mähne das unwürdige Tauziehen von Obamas Demokraten mit den oppositionellen Republikanern um Haushalt, Schulden und Steuern. Die politisch Verantwortlichen der USA sollten nun den gleichen Mut an den Tag legen, den die europäischen Partner bei der Bewältigung ihrer Finanzkrise an den Tag gelegt hätten, verlangt Lagarde. Und zwar hurtig. Noch hege sie die Hoffnung, dass die USA auf die erwähnte Courage der Europäer ihrerseits mit "kühnen, haushaltspolitischen Aktionen" reagierten. Bekanntlich ist die Freude in Amerika verhalten, wenn man "gods own country" andere Teile der Welt als leuchtendes Vorbild hinhält. Dabei wollen Obama und Lagarde im Grunde dasselbe - dass die USA nicht qua Zahlungsunfähigkeit und Herabstufung ihrer Bonität die Weltwirtschaft in einen noch tieferen Strudel reißen.

Dass Obama eine nach deren Bekenntnis "überzeugte Europäerin" mit auf ihren Posten gehievt hat, liegt sicher auch daran, dass die 1956 geborene Lagarde zeitlebens ein enges Verhältnis zu Amerika unterhalten hat. Da gab es schon als Schülerin ein Stipendium für eine private Mädchenschule in Maryland, als Studentin eine Hospitation im Kongressbüro des späteren Verteidigungsministers William Cohen und dann als Rechtsanwältin ein Job in einer prominenten US-Kanzlei.

Mit jenem Engagement für sozial Benachteiligte, das sich wie ein roter Faden durch Obamas Biografie zieht, ist Lagarde allerdings nicht weiter auffällig geworden. Bei ihr, ähnlich schlank und hochgewachsen wie Obama, würde man darauf tippen, dass sie die Leidenschaft des Präsidenten für Basketball teilt - tatsächlich war sie Synchronschwimmerin, Mitglied der Nationalmannschaft und einmal gar Dritte der französischen Meisterschaften.

Beide wissen, was es heißt, der/die Erste zu sein: Obama ist bekanntlich der erste Schwarze im Weißen Haus; Lagarde war erste Wirtschafts- und Finanzministerin Frankreichs und ist nun erste Chefin des IWF mit seinen 187 Mitgliedstaaten.

Beide stammen aus akademischen, intellektuellen Elternhäusern, gelten als smart und zielstrebig, beide haben zwei Kinder.

Doch während die elegante Christine Lagarde die Vertreterin des klassischen französischen Großbürgertums par excellence ist, muss Barack Obama den ihm weniger zugetanen Teilen der amerikanischen Bevölkerung bis heute versichern, dass er ungeachtet seines kenianischen Vaters ein echter, gebürtiger Amerikaner und damit rechtmäßig im Amt ist.

Obama weiß genau, was beinharter Wahlkampf bedeutet - im Jahre 2000 war er gar im Rennen um einen Sitz im Repräsentantenhaus gescheitert. Lagarde hat nie um ein Amt kämpfen müssen; für alle Posten wurde sie ausgewählt und musste nur noch nicken.

Die Französin trägt das Etikett "Madame Oui", weil sie beharrlich Hilfen für finanziell schwachbrüstige Staaten befürwortet, das dazu passende Markenzeichen des Amerikaners - "Yes we can" - ist jüngst etwas glanzlos geworden. Und während Obama seine attraktive Frau Michelle samt Töchtern nach Kräften öffentlichkeitswirksam einspannt, spielt sich das Privatleben der geschiedenen Lagarde vergleichsweise im Verborgenen ab. Seit 2006 ist der korsische Unternehmer Xavier Giocanti aus Marseille an ihrer Seite.

Barack Obama reiht sich ein in die amerikanische Tradition der "great communicators" unter den US-Präsidenten - wie Ronald Reagan oder auch Bill Clinton. Rhetorik und Gestik bei seinen Ansprachen an die Nation sind ausgefeilt. Lagarde wirkt eher in Verhandlungen hinter verschlossenen Türen; ihre Zähigkeit ist berüchtigt. Die Kraft dafür holt sich die Vegetarierin und Antialkoholikerin beim Tauchen und Yoga. Dass Christine Lagarde in ihrem Amt einen Friedensnobelpreis auf Leistungsvorschuss erhalten wird wie Obama oder dass man eine Flechtenart (caloplaca obamae) nach ihr benennen wird, ist unwahrscheinlich. Immerhin ist sie Offizierin der Ehrenlegion.