Dr. Martin Treiber, 49, ist Physiker am Institut für Wirtschaft und Verkehr der Technischen Universität Dresden

Hamburger Abendblatt:

1. Ferienzeit ist Stauzeit. Lassen sich Staus eigentlich verhindern?

Martin Treiber:

Einige könnten vermieden werden. Zumindest ließe sich die Länge des Staus verkürzen, wenn sich jeder Autofahrer effektiv verhalten würde. Auch Verkehrsleitsysteme und moderne Navigationsgeräte können dazu beitragen.

2. Navigationsgeräte geben aber allen Autofahrern dieselben Ausweichstrecken an, auf denen oft die Staus noch länger sind. Sollte man lieber im Stau bleiben und abwarten?

Treiber:

Tendenziell am erfolgreichsten ist es, bei einem Stau auf der Autobahn zu bleiben. Auf Nebenstrecken auszuweichen empfehle ich nur denen, die sehr gute Strecken- und Ortskenntnisse haben.

3. Was halten Sie von modernen Navis, die unterschiedlichen Autofahrern unterschiedliche Ausweichstrecken nennen?

Treiber:

Das funktioniert oft nur theoretisch, weil sich erfahrungsgemäß nicht alle an solche Empfehlungen halten. Für die Verkehrsforschung ist dieser Aspekt ein besonders schwer zu kalkulierender Effekt.

4. Ist die Natur ein Vorbild? Ameisen, die in Massen unterwegs sind, produzieren keinen Stau, weil sie sich nicht überholen. Reagieren Autofahrer zu hektisch und unüberlegt?

Treiber:

Das Beispiel mit den Ameisen wird überstrapaziert. Es hilft uns nicht weiter. Wenn es den Ameisen zu eng wird, krabbeln die einfach übereinander her. Das kann man Autofahrern schließlich nicht raten. Trotzdem reagieren viele Fahrer zu hektisch. Ein Stau entsteht nur unter drei Bedingungen: hohes Verkehrsaufkommen, dazu eine Störstelle - meist eine Baustelle oder ein Unfall. Nur den dritten Punkt, die zusätzliche Störung des Verkehrsflusses durch radikale Spurwechsel oder Bremsmanöver, kann man durch verändertes Fahrverhalten vermeiden.

5. Was raten Sie Autofahrern, die am kommenden Wochenende in die Ferien starten?

Treiber:

Am wichtigsten ist: antizyklisch, also gegen den Hauptstrom, fahren, am besten in der Nacht oder am Sonntag. Die meisten Staus entstehen am Freitagabend. Zweiter Tipp: Wenn man im Stau steht, nicht die Spur wechseln, weil man glaubt, es ginge nebenan schneller. Das erscheint nur so. Ständige Spurwechsel behindern aber den Verkehrsfluss zusätzlich.