Das Abendblatt sprach mit Sönke Fock, Chef der Hamburger Arbeitsagentur, unter anderem über Vollbeschäftigung in der Hansestadt.

Hamburg. Trotz der im Juli gestiegenen Arbeitslosenzahlen bleibt Sönke Fock, der Chef der Hamburger Arbeitsagentur, für die Stadt optimistisch. "Der Anstieg entspricht der jahresüblichen Entwicklung, weil sich die Unternehmen in der Urlaubszeit mit Einstellungen zurückhalten", sagte Fock gestern in Hamburg. Dagegen hält der Zuwachs bei den Beschäftigten an. Das Plus von 1,8 Prozent auf 835 100 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze liegt dabei aber unter dem bundesweiten Wert. In Deutschland sind nach den neuesten Zahlen vom Mai knapp 28,4 Millionen Menschen in fester Arbeit, 2,6 Prozent mehr als 2010. Das Abendblatt sprach mit Fock über Vollbeschäftigung in der Hansestadt, weniger Ein-Euro-Jobs und über die Chancen von Jugendlichen, zum Herbst einen Ausbildungsplatz zu finden.

Hamburger Abendblatt: Die Zahl der Arbeitslosen ist in Hamburg im Juli im Vergleich zum Juni um 2635 auf 74 545 gestiegen. Ist der Aufschwung vorbei?

Sönke Fock: Nein, keinesfalls. Das zeigt sich schon daran, dass die Zahl der offenen Stellen im Vergleich zum Juni um 440 und gegenüber dem vergangenen Jahr um 1312 zugenommen hat. Es gibt keinen Konjunktureinbruch. Vielmehr haben wir es mit einem typischen Saisonverlauf zu tun. So beenden im Juni viele Jugendliche die Schule oder ihre Ausbildung und melden sich dann bei der Agentur arbeitslos.

Kann 2011 die Marke von 70 000 Arbeitslosen unterschritten werden, und ist sogar Vollbeschäftigung möglich?

Fock: Die besten Zahlen des Jahres erwarten wir für Oktober. Dann gehen wir davon aus, dass die Grenze von 70 000 Menschen ohne Job unterschritten wird. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote in Hamburg bei 8,0 Prozent. Sicher ist auch eine Quote von unter vier Prozent möglich, die Ökonomen heute als Vollbeschäftigung ansehen. Dafür müsste der Aufschwung aber nicht nur anhalten, er müsste sich noch verstärken.

Mehr als 74 000 Menschen sind in Hamburg offiziell arbeitslos gemeldet, tatsächlich ohne Job sind aber mehr als 130 000. Wird die Lage am Arbeitsmarkt statistisch geschönt?

Fock: Das sehe ich nicht so. Ein Beispiel: Im Juli gab es mehr als 20 000 Menschen, die sich neu arbeitslos gemeldet haben, und mehr als 17 000, die wir vermittelt haben. Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt ist also groß. Dazu gibt es eben mehr offene Stellen. Und es befinden sich heute deutlich weniger Menschen in Maßnahmen für Weiterbildung oder Eingliederung ins Arbeitsleben als im vergangenen Jahr.

Aber es sind deutlich mehr Schwerbehinderte und Ältere arbeitslos ...

Fock: ... das gilt für die meisten Personengruppen im Vergleich zum Vorjahr. Aber es ist richtig: Gerade Personen, die aufgrund ihrer Gesundheit, ihres Alters oder auch ihrer Ausbildung schwer zu vermitteln sind, spüren die Dynamik am Arbeitsmarkt weniger.

Dennoch soll die Zahl der Ein-Euro-Jobs sinken. Ist das die richtige Strategie?

Fock: Die Zahl dieser Jobs lag 2010 im Durchschnitt bei mehr als 9000, in diesem Jahr werden es noch mehr als 6000 sein. Das zur Arbeitsagentur zählende Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) geht davon aus, dass solche Jobs nicht zu mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt führen. Dazu kommt: Die Nachfrage nach Arbeitskräften hält an, und wir wollen potenzielle Arbeitnehmer nicht in Bildungsmaßnahmen verstecken. Es wird aber immer eine Gruppe geben, die es auf Sicht nicht schaffen wird, wieder in eine Beschäftigung zu kommen. Sie hat aber keine feste Größe und wird kleiner. Von den gut 19 700 Langzeitarbeitslosen gehören geschätzt zehn Prozent dazu. Nimmt man weitere Menschen dazu, die aus anderen Gründen keinen Job finden, könnten im kommenden Jahr 3000 bis 3200 Ein-Euro-Jobs reichen.

In Altona und Wilhelmsburg steigt die Zahl der Arbeitslosen, während sie in den anderen Stadtteilen abnimmt. Muss die Arbeitsagentur darauf reagieren?

Fock: Zunächst einmal liegt das daran, dass es in diesen Stadtteilen günstigen Wohnraum gibt und deshalb auch arbeitslose Menschen dorthin ziehen. Dadurch verteilt sich unsere Arbeit innerhalb der Stadt neu. Bislang beobachten wir die Entwicklung seit zwei Monaten und sehen noch keinen Handlungsbedarf. Sollte sich aber das Verhältnis zwischen unseren Beratern und den Kunden der Agentur verändern, werden wir handeln und unsere Mannschaften vor Ort verstärken.

Wenn es nach Ihnen geht, sollen Arbeitsagentur und Jobcenter für die Hartz-IV-Empfänger noch enger zusammenarbeiten, um Menschen schneller in Jobs zu vermitteln. Was ist geplant?

Fock: Wir wollen für alle Arbeitgeber, die Arbeitsplätze zu vergeben haben, einen einzigen Ansprechpartner schaffen. Derzeit gehen die Vermittler von Arbeitsagentur und Jobcenter getrennt auf die jeweiligen Unternehmen zu. Wir wollen die Kräfte bündeln und so einen gemeinsamen Arbeitgeberservice schaffen. Die rund 170 Fachkräfte würden dann in einer Stelle zusammenarbeiten. Derzeit gibt es erste Gespräche über eine Neuordnung. Die neue Organisationsstruktur könnte im September greifen. Von der Notwendigkeit bin ich überzeugt und weiß mich in der Frage mit dem Senat einig.

Welche Ausbildungen und Studiengängen bieten jungen Menschen die besten Berufsperspektiven?

Fock: Gesucht sind Verkäufer, Elektriker und Mitarbeiter im Transport sowie Berufe im Gesundheitswesen wie Altenpfleger, Krankenschwestern oder Masseure. Das Handwerk bietet mehr Berufe als die beliebten Mechatroniker und Elektroniker. An den Hochschulen stehen die Naturwissenschaften und die Ingenieur-Studiengänge im Vordergrund. Wer schon eine Absage erhalten hat, sollte sich rasch mit einem unserer Berater in Verbindung setzen oder die Hotline unter der Hamburger Nummer 040/24 85 11 13 anrufen. Die Chancen, noch für den Herbst einen Ausbildungsplatz zu erhalten, sind nicht schlecht. Den bei uns gemeldeten 2377 unversorgten Bewerbern stehen 2734 noch unbesetzte Ausbildungsplätze gegenüber.