Eine Glosse von Christian-A. Thiel

Es ist nur ein kleines Stück Stoff. Der eine trägt es stolz als Ausweis vollbrachter Leistungen. Der nächste nimmt sie kaum mehr wahr, weil er sie schon so oft angelegt hat. Und ein weiterer wiederum wirft sie zornig seinem Trainer vor die Füße, wenn der es wagt, ihn vor der Zeit auszuwechseln. Die Kapitänsbinde.

Seit Fritz Walter die taktischen Ideen der Trainer-Legende Sepp Herberger auf dem Fußballplatz kongenial umgesetzt hat, ist der Mannschaftskapitän so etwas wie der Leitwolf seines Teams. Eine Rolle, die man pflichtbewusst und volksnah ausüben kann wie "Uns Uwe" Seeler. Die bei so manchem aber auch Aggressionen weckt wie bei Stefan Effenberg. Und die selbst unter Männern einen Zickenkrieg auslösen kann wie zuletzt zwischen Michael Ballack und Philipp Lahm. "Ich bin's und ich bleibe es", beharrte der eine. "Nein, ich", forderte der andere. Schön, wenn man in dieser Situation einen Trainer hätte, der zwischen den Streithähnen schlichten kann.

Der jüngste Kapitän, der von Bord gehen muss, ist Lukas Podolski. Die Kölner Kultfigur, am Rhein so beliebt wie ein Karnevalsprinz (der sich oft auch so aufführt), darf plötzlich nur noch die zweite Geige spielen. Stale Solbakken, der neue Trainer der Geißböcke, will die Last auf mehrere Schultern verteilen. Poldi ohne Binde? Für ihn undenkbar.

Aber was hat ein Kölner Kapitän ohne das Einsammeln gegnerischer Wimpel und gelegentlicher Proteste beim Schiedsrichter schon zu tun? In die Verlegenheit, eine Meisterschale in die Höhe zu stemmen, wird er beim FC eher nicht kommen.