Hannes Rockenbauch und Winfried Hermann waren Verbündete im Kampf gegen Stuttgart 21. Nun könnten sie zu Gegnern werden

Im Leben des baden-württembergischen Verkehrsministers Winfried Hermann, 59, läuft derzeit einiges schief. Als "Verkehrtminister" haben CDU und FDP den Grünen bereits verspottet. Dabei hatte alles so gut angefangen. Nach dem Wahlsieg seiner Partei in Baden-Württemberg im März räumt der Bundestagsabgeordnete Hermann sein Berliner Büro und tritt seine neue Stelle im Stuttgarter Verkehrsministerium an. Der ehemalige Deutsch- und Sportlehrer freut sich darauf, endlich ein Projekt zu Grabe zu tragen, gegen das er fast 20 Jahre gekämpft hat: den Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof.

Seitdem die schwarz-gelbe Landesregierung das Projekt angeschoben hat, haben die Grünen dagegen Flugblätter verteilt, Protestaktionen und politische Initiativen gestartet. Hermann leistete ihnen als Vorsitzender des Verkehrsausschusses von Berlin aus Schützenhilfe. Trotzdem haben sich die Baden-Württemberger jahrelang partout nicht über das Milliarden-Projekt empören wollen.

Dass sich das im vergangenen Jahr schlagartig verändert und dass sich die geplante Baugrube unter dem Namen "Stuttgart 21" einen festen Platz im Sprachschatz der Deutschen erobert hat, liegt unter anderem an einem heute 31-jährigen Rotschopf. Als 2010 der Abrissbagger die Bahnhofsflanke aufzureißen beginnt, rüttelt Hannes Rockenbauch nicht nur an dem Bauzaun - er klettert kurzerhand drüber. Und wird von der Polizei von der Baustelle geführt. CDU und FDP sind entsetzt, denn Rockenbauch bekleidet immerhin ein öffentliches Amt: Schon seit 2004 sitzt er für das Personenbündnis Stuttgart Ökologisch Sozial (SÖS) im Gemeinderat.

Dort träumt Rockenbauch davon, dass die Menschen in seiner Stadt nicht ökologischer, sondern auch basisdemokratischer leben. Gemeinsam mit seinem SÖS-Kollegen, dem deutlich älteren und weißhaarigen Gangolf Stocker, wagt er in einer so biederen Stadt wie Stuttgart den zivilen Ungehorsam. Beide werden zu Initiatoren des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Unter dessen Ägide sammeln sich immer mehr derer, die man später als Wutbürger bezeichnen wird. Ihr geballter Zorn trägt mit dazu bei, dass die Landesregierung abgewählt wird - und Stuttgart-21-Gegner wie Winfried Hermann an die Macht kommen. Die Hoffnungen sind groß: Gelänge es Hermann, Stuttgart 21 zu stoppen, wäre damit bewiesen, dass Bürger von sich aus etwas politisch bewirken können.

Doch an dieser Stelle knickt die vermeintliche Erfolgsgeschichte ab. Denn aus Hermann und Rockenbauch wird wohl kein Dreamteam mehr werden, das durch mehr Basisdemokratie Zivilgesellschaft und Politik miteinander versöhnen könnte.

Der Stresstest - eine Leistungssimulation des geplanten Bahnhofs - hat ergeben, dass Stuttgart 21 alle Anforderungen erfüllt. Ein Schweizer Institut bestätigt: Der neue Bahnhof wird funktionieren, ohne zu teuer zu werden. Hier trennen sich nun die Wege von Hermann und Rockenbauch wieder. Letzterer erklärte am Donnerstag enttäuscht, der bahninternen Simulation fehlten jegliche Stör- oder Notfallszenarien: "Ein Stresstest ohne Stress verdient den Begriff Stresstest nicht." Der Entschluss: Das Aktionsbündnis steigt aus den Schlichtungsgesprächen aus. Man könnte auch vom Rückzug in den Schmollwinkel sprechen. Aus Sicht von Hermann muss allerdings selbst dieser Schmollwinkel einer Wellness-Oase ähneln. Denn vermutlich wird nun ausgerechnet er, der Parteilinke, es sein, der Stuttgart 21 bauen muss. Die Grünen könnten zwar den Bau stoppen - müssten sich aber vor Gericht gegen immense Vertragsstrafen wehren. Sie könnten auch darauf hoffen, dass ihnen das Volk in einem Referendum zum Ausstieg den Rücken stärkt. Doch das Quorum für Volksbegehren ist im Ländle viel zu hoch.

Noch windet sich Hermann. Im Landtag erklärte er, als Minister sei es seine Pflicht, zu prüfen, ob die vielen Gelder tatsächlich der Verbesserung des Schienenverkehrs im ganzen Land dienten. "Wir sind keine prinzipienlose Fangemeinschaft", rief er der Opposition zu. Möglicherweise schwang da auch die Sorge mit, künftig Leute wie Rockenbauch zum Gegner zu haben. Doch nun liegt es an Hermann, zu zeigen, ob seine Partei nur Prinzipien kennt - oder auch Kompromisse.