Armin Valet, 45, ist Ernährungsexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg

Hamburger Abendblatt:

1. Warum brauchen wir ein neues Lebensmittelportal? Sind die Gesetze zu lasch?

Armin Valet:

Auf jeden Fall. Wir kriegen jedes Jahr unzählige Beschwerden von Verbrauchern darüber, dass Lebensmittel nicht das halten, was sie versprechen. Im Supermarkt fällt die Kaufentscheidung binnen Sekunden - kaum einer liest auf den Verpackungen das Kleingedruckte, die komplette Liste der Inhaltsstoffe und prüft die Füllmengen.

2. Es soll vor allem darum gehen, falsche Versprechen auf Produktverpackungen aufzudecken. Sind die Werbelügen tatsächlich so dreist?

Valet:

Werbelügen gibt es fast überall und in sämtlichen Bereichen des Supermarkts. So finden sich auf der Packung einer Fruchtmolke Mango und Maracuja, aber das Getränk besteht fast nur aus Orangensaft. Im Kühlregal liegt Putensalami, die Schweinefleisch enthält. Ein Schoko-Haselnuss-Dessert enthält trotz Abbildung keine Schokolade, sondern nur 0,7 Prozent Kakaopulver.

3. Handelt es sich um einige wenige schwarze Schafe oder tatsächlich um die breite Masse der Hersteller?

Valet:

Die Lebensmittellügen sind ein prinzipielles Problem der Branche und keine Einzelfälle. Studien zeigen, dass mittlerweile nur noch zehn Prozent der Verbraucher den Angaben der Hersteller vertrauen. Das ist ein Trauerspiel. Daran zeigt sich, wie wichtig Aufklärung ist. Wir müssen jetzt Öffentlichkeit schaffen, um den Verbraucherschutz voranzutreiben.

4. Mit dem Portal wird die Verantwortung in die Hände der Verbraucher gelegt, statt die Hersteller in die Pflicht zu nehmen ...

Valet:

Das neue Portal kann nur eine Säule sein. Jetzt muss sich auch die Industrie bewegen und endlich anfangen, von der Ladentheke her zu denken. Wenn ein Hersteller ein Produkt auf den Markt bringt, sollte er auf die Bedürfnisse und Ansprüche der Verbraucher hören und nicht auf seine Marketingleute. Möglichst schnell muss sich hier aber auch die Gesetzgebung ändern. Erfahrungsgemäß mahlen diese Mühlen aber sehr, sehr langsam.

5. Die Lebensmittelhersteller sprechen von einem "Internet-Pranger" und befürchten wirtschaftlichen Schaden. Können Sie das Argument verstehen?

Valet:

Wir sehen keinen Pranger, die Plattform dient dem Dialog. Jede Beschwerde wird von den Verbraucherzentralen geprüft, bevor sie veröffentlicht wird. Zudem wird der Hersteller im Vorfeld um Stellungnahme gebeten. Natürlich übt das Druck auf die Industrie aus. Aber der Effekt zahlt sich aus: Schon vor dem Start des neuen Portals haben einige Hersteller irreführende Packungsangaben geändert.