Die Währungsunion und der Euro waren die Voraussetzung für die Wiedervereinigung und haben das Land in der Globalisierung konkurrenzfähiger gemacht

Wäre alles besser, wenn Deutschland noch die D-Mark hätte? Nein! Erstens und am wichtigsten würde es dann auch kein vereinigtes Deutschland geben. Wenige Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer war es Bundeskanzler Helmut Kohl im Januar 1990 gelungen, das Misstrauen des französischen Präsidenten Francois Mitterrand zu überwinden. Die Zusage, die D-Mark zugunsten einer gemeinsamen Währung aufzugeben, war der Preis der Wiedervereinigung. Auch daran wollte der Altkanzler Angela Merkel erinnern, wenn er sie mit harschen Worten wegen ihres Wankelmutes gegenüber dem Euro kritisierte. Ein Ende des Euros wäre auch das Ende der deutsch-französischen Partnerschaft und der Anfang einer nationalen Misstrauenspolitik. Sie würde jene Grenzkontrollen und Handelshemmnisse zurückbringen, die Europa früher geschwächt haben.

Zweitens ist die Erinnerung an die Zeugung des Euro deshalb unverzichtbar, weil eine von einer 65-jährigen Friedensphase verwöhnte Nachkriegsgeneration in der Wirtschafts- und Währungsunion keinen Nutzen mehr erkennt. Sie hält den gemeinsamen Binnenmarkt für Normalität und die europaweite Reisefreiheit für eine Selbstverständlichkeit. Das in der Tat heute grenzenlose Europa war nicht ohne Anstrengung zu haben. Erst die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), dann die Europäische Gemeinschaft (EG) und schließlich der Euro mussten helfen, die politischen Wunden nach dem Zweiten Weltkrieg zu heilen, den Nationalismus zu überwinden und Deutschland mit seinen Nachbarn im Westen und im Osten zu versöhnen. Alleine schon diese Friedensdividende ist von unschätzbarem Wert - gerade für Deutschland - und müsste alle Kosten relativieren, die nun mit der Staatsschuldenkrise einiger Euro-Länder auf Deutschland zulaufen werden.

Drittens hat der Euro weiter zur Stärkung des gemeinsamen europäischen Binnenmarktes beigetragen. Die Möglichkeit, innerhalb Europas ohne Schranken Güter handeln, arbeiten und Geld verdienen zu können, sorgte für eine Effizienz steigernde, Kosten minimierende, grenzüberschreitende Arbeitsteilung. Dazu gehört auch, dass dank der gemeinsamen Währung Wechselkurskosten oder Absicherungsgeschäfte entfielen und in den Betrieben transparenter und damit besser kalkuliert werden konnte. Davon haben nicht nur die Produzenten profitiert. Auch für die Verbraucher wurde es einfacher, die heimischen Preise für Konsumgüter, Flugreisen, Hotels und Urlaubsaktivitäten mit jenen im übrigen Europa zu vergleichen. Der Internethandel tat ein Übriges dafür, dass sich Preise für viele leicht handelbare Güter in Europa anglichen, und zwar eben eher auf dem Niveau der billigeren Länder.

Viertens hat sich der absolute Wert der deutschen Warenausfuhr in die Euro-Länder von 230 Milliarden 1999 auf fast 400 Milliarden 2010 nahezu verdoppelt. Sicher wäre auch ohne Euro das eine oder andere möglich gewesen, aber nicht in dieser Dimension. Der Euro hat auch für tiefere Zinsen in den südlichen Euro-Ländern gesorgt, dadurch deren Wachstum stimuliert und so jene Kaufkraft geschaffen, mit der deutsche Güter bezahlt werden konnten. Die Ironie liegt darin, dass die tiefen Zinsen eine der zentralen Ursachen für die zu hohe Verschuldung der südlichen Euro-Länder ist, die heute die Stabilität des Euro-Raums infrage stellt.

Fünftens hat der gemeinsame Euro-Raum kleinere Länder im globalen Wettbewerb größer gemacht. Er hat geholfen, die Enge des eigenen Heimmarktes zu überwinden. Mit dem Übergang von der D-Mark zum Euro entstanden mehr und mehr auch wirklich europäische Firmen, die an verschiedenen Standorten in Europa einzelne Glieder ihrer Wertschöpfungskette fertigen. Airbus ist dafür ein herausragendes Beispiel, das sich aber vielfach wiederfindet auch im Mittelstand. Der Euro hat so erlaubt, mit den amerikanischen oder asiatischen Konkurrenten mitzuhalten. Davon hat das auf den Export setzende Geschäftsmodell "Deutschland" besonders profitiert. Denn seit der D-Mark-Zeit hat sich die Weltwirtschaft radikal geändert. Die Globalisierung ist weitergegangen und hat Milliarden von Menschen in Asien und Lateinamerika sowohl zu Kunden wie Konkurrenten werden lassen.

Auch mit der D-Mark wären seit der Jahrhundertwende die Zeiten härter, der Wettbewerb rauer und das Einkommensgefälle zwischen besser und schlechter Verdienenden größer geworden. Der Euro hat diese neuen Herausforderungen nicht verursacht. Er hat jedoch bessere Voraussetzungen geschaffen, um sie meistern zu können.