Die kirchliche Trauung sollte am Sonnabend sein. Nach dem Gespräch zur Vorbereitung dieses Gottesdienstes verabschiedeten wir uns, wie es halt so üblich ist: "Auf Wiedersehen bis zur Trauung in drei Wochen." Doch daraus wurde nichts - nicht etwa weil das Paar es sich anders überlegt hätte. Sondern die Braut lag exakt zu der Zeit, als sie vor dem Altar ihr Ja-Wort sagen wollte, auf dem Operationstisch. Den Brautstrauß habe ich zwar noch ins Krankenzimmer bringen können, aber als die unglückliche Patientin aus der Narkose erwachte, konnte sie ihn nicht wirklich wahrnehmen, geschweige denn genießen.

Das Schlimmste ist jetzt zum Glück überstanden, und die kirchliche Trauung wird vermutlich im Oktober nachgeholt. Doch an jenem Sonnabend stand eine reichlich erschrockene Gemeinde vor der Friedenskirche Altona und war ähnlich überrascht und entsetzt von den Ereignissen nach der standesamtlichen Hochzeit wie ich. Alle waren von dem Selbstverständlichsten ausgegangen: Einladung zum Fest - Zusage - Gottesdienst - Glückwünsche - und dann das rauschende Fest mit allem, was dazugehört.

Doch was an diesem Wochenende wohl allen Beteiligten schlagartig deutlich wurde: Das Selbstverständliche ist gar nicht so selbstverständlich, wie wir immer denken. Wir stellen uns unser Leben gerne als starken, unumstößlichen Baum vor, dabei ist es eher so zart und zerbrechlich wie ein Schmetterlingsflügel im Sommer. Das können wir uns natürlich nicht immer vergegenwärtigen, aber hin und wieder täte ein wenig mehr Bescheidenheit und Dankbarkeit für all die scheinbaren Selbstverständlichkeiten unseres Lebens gut. Nicht damit wir als Trauerklöße durch die Welt schleichen, sondern um dankbar und mit größerer Freude jeden Tag auszukosten. Denn letztlich ist jeder gelebte Tag mit all seinen besonderen und banalen Ereignissen ein Geschenk Gottes und ein Wunder - mal ein größeres, mal ein kleineres. In jedem Fall nicht so selbstverständlich, wie wir gerne meinen.

Ich hätte mich damals mit den Worten aus dem Jakobusbrief der Bibel verabschieden sollen: "Auf Wiedersehen, so Gott will und wir leben." Vermutlich hätte das Brautpaar mich verständnislos angesehen. Aber stimmiger wäre es schon gewesen.

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