Ein Kommentar von Klaus Witzeling

Ballett-Tänzer sind Süchtige. Nach dem Rausch des Tanzens, dem perfekten Solo, nach Anerkennung und Applaus. Dafür trainieren sie jeden Tag sehr hart. Wie Hochleistungssportler stehen sie unter einem enormen Leistungs- und Konkurrenzdruck. Sie lernen mit Schmerzen zu leben und damit Pirouetten zu drehen. Denn im Scheinwerferlicht sind lädierte Sehnen oder Zehen vergessen, häufig mithilfe von Schmerzmitteln - oder noch härteren Drogen.

Das Doping-Problem existiert im Ballett genauso wie im Sport. Jeder weiß es, aber niemand will offen darüber sprechen. Am wenigsten die Betroffenen. Das gebe es nur in Amerika, heißt es in der Tanzszene.

Nun hat in Kopenhagen eine interne Umfrage bei Mitgliedern des Königlich Dänischen Balletts ergeben, dass das Drogenproblem doch näherliegt als behauptet. Einige der 52 Befragten gaben einen verbreiteten Kokainkonsum im Ensemble zu. Natürlich will Ballettdirektor Nikolaj Hübbe nichts von Schnee schnupfenden Ballerinen wissen. Aber es ist verantwortungslos von ihm, Missstände zu leugnen, um den schönen Schein der Ballettwelt zu wahren.

Es gibt nur eine Möglichkeit, der Problematik Herr zu werden: Sie offen anzusprechen und leidenden Tanzkünstlern zu helfen. Das gilt nicht nur für das dänische Ballett, sondern auch für deutsche Kompagnien. Denn Tanzen ist ohnehin einer der benachteiligten Berufe, in dem Glanz und Elend sehr eng beieinander liegen.