Paul Kirchhofs Modell eines Steuersatzes in Höhe von 25 Prozent würde Deutschland gerechter und attraktiver machen, sagt der Unternehmensberater

Steuerpolitik ist in Deutschland zu einem Reizthema geworden. Bei jeder Diskussion dieser Art blickt man in gequälte Gesichter. Niemand glaubt mehr an einen Umbau des deutschen Steuerstaates. Steuerpolitik ist ein Instrument aller politischen Lager in der Umsetzung politischer Vorhaben. Ein solches Instrument gibt niemand gerne aus der Hand, um einem einfacheren, berechenbareren und langfristig tragfähigen Steuersystem den Weg zu ebnen. Aber genau darauf zielt Paul Kirchhof mit seinem durchdachten Modell ab.

Die Diskussion folgt zudem einem fast infantilen Steuerverständnis: niedrigere Steuersätze gleich weniger Steuereinnahmen. Höhere Steuersätze gleich höhere Steuereinnahmen. Bereits 1974 hat der US-Ökonom Arthur B. Laffer seine "Laffer-Kurve" vorgestellt, die aufzeigt, dass eine exzessive Steuerpolitik zu sinkenden Steuereinnahmen (Tabaksteuer), eine behutsame Steuerpolitik jedoch zu höheren Steuereinnahmen führt (Körperschaftssteuer). In Deutschland wird die Verbindung zwischen Steuerpolitik und wirtschaftlicher Dynamik ignoriert oder negiert.

In schröderscher Manier wird der "Professor aus Heidelberg" mit seinem zukunftsorientierten Steuermodell von den Protagonisten der Umverteilungsbürokratie in die Ecke der Fantasten gestellt. Kirchhof hat es - auch unter Einbindung der Finanzministerien von Bund und Ländern - geschafft, das Steuerrecht auf 146 Paragrafen und vier Steuerarten zu reduzieren: Einkommen-, Erbschafts-, Umsatz- und Verbrauchssteuern. Dabei werden alle 534 Ausnahmetatbestände abgeschafft und ein pauschaler Steuersatz von 25 Prozent auf alle Einkommensgruppen erhoben (Flat Tax). Das Modell ist aufkommensneutral, das heißt, die Steuereinnahmen brechen nicht ein.

Die kirchhofsche Steuerreform wird insbesondere unter Gerechtigkeitsaspekten - Steuerpolitik wieder als Sozialpolitik - in Grund und Boden argumentiert. Wir erinnern uns an den Einwand des Kanzlers a. D. Gerhard Schröder, der es für abwegig hält, dass der gerne stigmatisierte Einkommensmillionär "genauso viel Steuern zahlt wie eine Krankenschwester". Erstens zahlt der Einkommensmillionär im kirchhofschen Modell tatsächlich 25 Prozent und kann keine Steuerausnahmetatbestände geltend machen; und zweitens sollte man auch in der Politik zwischen Steuersatz und der realen Steuerzahlung zu unterscheiden wissen. Drittens ist es nicht vertretbar, dass Einnahmen aus nicht selbstständiger Arbeit in der Spitze mit 47,5 Prozent besteuert werden, Einnahmen aus privatem Kapitalvermögen mit 25 Prozent.

Im Kern geht es jedoch auch darum, dass Steuerpolitik auch Standortpolitik ist. Daher ist die Steuerpolitik auch in Beziehung zu setzen zur aktuellen Zuwanderungsdebatte, daneben auch zur Wirtschaftspolitik im Sinne der Unternehmensansiedlungen und der Auslandsinvestitionen. Die Bevölkerung schrumpft und altert. Die Einwohnerzahl wird von 82 auf 69 Millionen in den kommenden Jahrzehnten sinken, der Anteil der über 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung auf über 40 Prozent steigen. Parallel zur Verrentung der Babyboomer bricht die Zahl der Hochschulabsolventen dramatisch ein.

Deutschland ist erstmals seit 37 Jahren Netto-Exporteur von Arbeitskräften, und die Abwanderung beläuft sich auf 160 000 qualifizierte Kräfte pro Jahr. Wir steuern auf ein strukturelles Defizit an Arbeitskräften von vier Millionen zu. Schon heute sind mehr als 140 000 naturwissenschaftlich ausgerichtete Positionen unbesetzt. Deutschland braucht eine wirksame Standortpolitik und muss sich öffnen.

Laut Weltwirtschaftsforum in Davos hat Deutschland vier "Hypotheken", die die Zuwanderung qualifizierter Fach- und Führungskräfte als Erfolgsfaktoren unserer Wirtschaft behindern: 1. hohe Arbeitsmarktregulierung, 2. komplizierte Steuergesetze, 3. hohe Steuern und 4. ineffiziente Bürokratie. Man mag zu jedem Punkt Einwände haben, aber so ist die Wahrnehmung der externen Betrachter.

Angesichts des demografischen Wandels, der "Kernschmelze" im Erwerbstätigenpotenzial, ist Deutschland existenziell auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen. Das dramatisch steigende Risiko durch mangelnde personelle Ressourcen - das Erwerbstätigenpotenzial sinkt bis 2025 um 6,7 Millionen - korreliert mit einem steigenden Risiko durch Produktivitätsverlust. Mit der kirchhofschen Steuerverfassung erhöhen wir die Attraktivität des Standortes Deutschland. Steuerliche Macht soll nicht der Zerstörung, sondern der Bewahrung dienen. Auch der Bewahrung des wirtschaftlichen Erfolges.