Den Terror und die Diktatoren zurückdrängen, die Armut bekämpfen - warum die Rettung eines Kontinents im Interesse der Europäer liegt

Gerhard Schröder hatte es sich 2005 auf die Agenda gesetzt, Afrika zu einem besseren Ort zu machen. Armut bekämpfen, Strukturen stärken, Wohlsein und Wohlstand erzeugen, um Terrorismus den Nährboden zu entziehen. Daran muss denken, wer die Entwicklungen in Afrika in diesem Jahr und jetzt die Unabhängigkeit Südsudans betrachtet. Omar Hassan al-Baschir, der Präsident Sudans, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag seit 2009 wegen Kriegsverbrechen per Haftbefehl sucht und den die USA mit Sanktionen strafen, auch weil er im Verdacht steht, Terroristen zu unterstützen, hat nun offiziell verloren.

Was für eine Veränderung! Was für eine zerbrechliche neue Welt Afrika. Afrika war - in einer Zeit, da der US-Präsident George W. Bush die Welt in Schurken und Freunde unterteilte -in Schröders Augen prädestiniert, in die "falschen" Hände zu fallen. In seiner berühmten, nicht selbst gehaltenen Rede vor der 41. Münchner Sicherheitskonferenz am 12. Februar 2005, in der er die Kräfte der Nato für schwindend befand und zu einem neuen Beraterpanel riet, sprach Schröder erstmals davon, dass Europa und Amerika zusammenrücken müssten, um Afrika zu retten. Im eigenen Interesse, in einer neuen Weltlage mit neuen Feinden.

Bekanntlich kamen seine Worte bei denen, die er vor den Kopf stieß, nicht besonders gut an. Doch von da an verfolgte der damalige Kanzler seinen Plan - die Beschlüsse zur Schuldenentlastung in Davos 2005 zeugen davon.

Der französische Präsident Jacques Chirac und der britische Premierminister Tony Blair hatten eigene gute Gründe, sich Schröder anzuschließen. Der konnte von Afrika nicht mehr lassen: Innenpolitisch lief es schlecht, er verlor an Glaubwürdigkeit. Seine außenpolitische Agenda aber, Europa zu einem auf Augenhöhe mit den USA operierenden Staatengefüge zu machen, in dem Deutschland eine tragende Rolle spielt, war nicht vom Tisch. Und sie ergab Sinn: Europa über Afrika zu stärken konnte funktionieren. Dann kam einiges anders.

Angela Merkel sprach an diesem Wochenende von einem "besonderen Tag für Afrika". In ihrem Podcast sagte die Kanzlerin, der Sudan stehe beim Uno-Sicherheitsrat, in dem Deutschland derzeit den Vorsitz hat, oben auf der Tagesordnung. Jetzt ist Merkel mit einer Wirtschaftsdelegation nach Afrika aufgebrochen, um Kenia, Angola und Nigeria zu besuchen. Sudan liegt nicht am Weg. "Wir wollen, dass mit dem Nord- und mit dem Südsudan zwei stabile Staaten entstehen", sagte sie, "und der Südsudan braucht insbesondere unsere und die Unterstützung der gesamten Staatengemeinschaft." Auch Außenminister Guido Westerwelle fand lobende Worte. Frankreich und Großbritannien signalisierten ebenfalls Hilfe. Das alles klingt vertraut.

Bleibt die Frage, was den Worten folgt. Tatsächlich hat Deutschland gerade mal 50 Soldaten in dem Land, das in Bürgerkriegen nahezu ausgeblutet ist, das Baschir unter islamistische Militärgewalt bringen wollte und dem er brutal versucht hatte, die Scharia zu oktroyieren. Wichtige Verträge sind zwischen den neuen Nachbarn nicht geschlossen: wie einer, der den genauen Grenzverlauf zwischen den Staaten festlegt. Oder einer, der den Rohölverkauf regelt.

Afrika sei in Bewegung, hat die Kanzlerin gesagt. Am selben Tag, als der neue US-Verteidigungsminister Leon Panetta auf dem Weg nach Afghanistan verkündete: Die strategische Niederlage von al-Qaida sei "in Reichweite". Sollte sich die Welt so plötzlich geändert haben? Natürlich nicht. Dass die USA Osama Bin Ladens Tod gern mit einem Ende des Terrors gleichsetzen, ist nachvollziehbar. Aber es sind Worte.

Der Sudan hat, seit er seine Unabhängigkeit 1955 erlangte, kaum anderes gekannt als Hunger, Krieg, Armut, Elend. Das prägt. Das ist nicht von heute auf morgen vorbei. Und das Interesse am Rohöl, das Baschir mit dem Süden durch die Hände geglitten ist, könnte ihn das Risiko eines neuerlichen Krieges eingehen lassen. Auch sonst sind längst nicht alle Probleme gelöst.

Afrika war damals das richtige Projekt, und es ist es heute. Europa ist als politische Kraft stärker als zu Kanzler Schröders Zeiten. Die Eiszeit zwischen Deutschland und den USA ist vorüber. Europa sollte Kräfte mobilisieren und zusammen mit den USA einsetzen. In Afrika. Nach der Götterdämmerung der Diktatoren, für die Sicherheit der Menschen dort und für die Freiheit. Auch und nicht zuletzt aus Eigennutz. Afrika braucht Hilfe. Nicht nur die Versprechen dazu. Und es braucht das Interesse der Staatengemeinschaft über den jeweiligen Tag hinaus.