Sie muss ihm weichen: Am Sonntag moderiert Anne Will letztmalig ihren Polit-Talk auf ihrem alten Sendeplatz. Den erbt Günther Jauch, der im Herbst auf Sendung geht

Am 11. Januar 2007 kreuzen sich die Karrieren von Anne Will und Günther Jauch erstmals schicksalhaft. An diesem Tag wird bekannt, dass der Deutschen liebster Moderator der ARD abgesagt hat. Er sollte im Ersten anstelle von Sabine Christiansen sonntags eine politische Talkshow moderieren.

Gegen Mittag klingelt dann bei Will das Telefon. Der damalige NDR-Intendant Jobst Plog will von der Journalistin wissen, ob sie sich vorstellen kann, Christiansens Nachfolgerin zu werden. "Das kann ich mir absolut vorstellen", sagt sie. "Dann kriegen wir das auch durch", entgegnet er.

Am 13. September 2009 sitzt Jauch in Wills Talkshow. Gerade eben ist das Fernsehduell der beiden Kanzlerkandidaten Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier zu Ende gegangen. Jauch soll nun mit Wills anderen Gästen - dem Theatermann Claus Peymann, der "Bunte"-Chefredakteurin Patricia Riekel, den Politikern Klaus Wowereit und Edmund Stoiber und dem "Stern"-Journalisten Hans-Ulrich Jörges - klären, wer das Duell gewonnen hat. Es gefällt ihm in der Talkshow so gut, dass er später in einem Interview sagen wird, die Idee, doch einen Polit-Talk im Ersten zu übernehmen, sei in ihm herangereift, als er Gast in Wills Sendung war. Es ist das zweite schicksalhafte Aufeinandertreffen der beiden.

Ein drittes gibt es nicht, dafür aber eine verunglückte Vollzugsmeldung: Am 10. Juni meldet die ARD, dass Jauch ab Herbst 2011 im Ersten sonntags eine politische Talkshow moderieren wird. Zuvor hat NDR-Intendant Lutz Marmor vergeblich versucht, Will auf dem Handy zu erreichen. Sie weilt in den USA, wo es Nacht ist, und schläft. Ihr Handy ist ausgeschaltet. Und so erfährt die Moderatorin am nächsten Tag aus den Medien von ihrer Ablösung.

Diesen Sonntag wird Anne Will ihren Polit-Talk zum letzten Mal auf dem alten Sendeplatz moderieren. Nach der Sommerpause geht sie mittwochs um 22.45 Uhr auf Sendung. Erst Monate nach der Bekanntgabe von Jauchs Verpflichtung erfuhr sie, wann sie künftig senden darf. Man kann es, zurückhaltend formuliert, seltsam finden, wie die ARD ihre erfolgreichste Talk-Moderatorin behandelt hat. Immerhin hat Will die Quoten ihrer Vorgängerin Christiansen steigern können. Im Schnitt sahen mehr als vier Millionen Zuschauer ihre Talkshow. Niemand hätte ihr einen Vorwurf machen können, wenn sie nach den Ereignissen der vergangenen Monate einfach hingeschmissen hätte.

Aber das passt nicht zu ihr. In einem Interview sagte sie, dass sie es "unschön" gefunden hätte, wie man mit ihr umgegangen sei. Das war es aber auch schon. Eine Entschuldigung von NDR-Intendant Marmor hat sie angenommen. Sie wird weitermachen - nun eben auf dem neuen Sendeplatz.

Dieses preußische Arbeitsethos und der Hang zur Ironie verbindet sie mit Jauch, der sich mit Äußerungen zu seiner künftigen Aufgabe seltsam zurückhält. Kürzlich gab er zwar dem "Spiegel" ein langes Interview. Dort standen dann Sätze wie: "Ich werde eine Sendung machen, in der Menschen sich vorzugsweise auf Deutsch unterhalten und dazu auf Stühlen mit je vier Beinen sitzen." Er sagte Dinge, die man so sagt, wenn man eigentlich nichts sagen will.

Jauch weiß, dass er das Genre Polit-Talkshow nicht neu erfinden kann. Und er baut bereits vor: "Ich werde Fehler machen und Kritik einstecken", sagt er. "Sie werden vielleicht über mich herfallen. Ich mache mir da keinerlei Illusionen." Tatsächlich weiß niemand, ob der bisher so erfolgreiche Jauch Polit-Talk überhaupt kann. Im politischen Journalismus ist er bisher ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Das war bei Will anders: Als sie im September 2007 ihre Talkshow übernahm, lagen sechs sehr erfolgreiche Jahre als "Tagesthemen"-Moderatorin hinter ihr. Sie war es, die in einem geradezu legendären Interview als Erste dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder Aussagen zu den überraschenden Neuwahlen im September 2005 entlockte.

Für Jauch aber ist die Übernahme des sonntäglichen Polit-Talks auch ein nicht unbeträchtliches Risiko. Sollten sich, wenn es ganz dumm läuft, seine und die Wege Wills noch einmal schicksalhaft kreuzen? Könnte sie seine Nachfolgerin werden? Das ist unwahrscheinlich. Bisher gilt für Moderatoren des noch jungen Sonntagstalks, was einst für geschlagene Boxweltmeister im Schwergewicht galt: They never come back - sie kehren nie zurück.