Claudia Sewig stellt jede Woche Hagenbecks Tiere vor

Stellingen. Sollte Hugo je eine Partnerin in einer Kuppel-Show im Fernsehen suchen, dann könnte die leicht säuselnde Stimme aus dem Off etwa Folgendes über ihn sagen: "Hugo, der attraktive Stachelhäuter, der sich wie ein Dreitagebart anfühlt, steht auf Frauen, die nicht nur hinter den Ohren grün sind. Gerne möchte er sich mit ihnen vermehren, indem er möglichst viele Arme abwirft." Tierische Einschaltquoten wären sicherlich garantiert ...

Da bisher jedoch noch kein Produzent an seine Aquariums-Scheibe geklopft hat, begnügt sich Hugo vorerst mit dem täglichen Auftritt im Tierpark Hagenbeck. Hier lebt der Olivgrüne Schlangenstern in der Schatzkammer des Tropen-Aquariums - und nur Tierpflegerin Heidrun Rohr weiß, wie er sich anfühlt.

"Als ich ihn einmal unter Wasser umsetzen musste, prickelte er wie der Dreitagebart eines Mannes", sagt die Tierpflegerin. Verantwortlich dafür sind die feinen Stacheln an den Armseiten des Schlangensterns, die ein dekoratives Ringelmuster ziert.

Fünf stachelige Arme sind es pro Tier, was auch ihre enge Verwandtschaft zu den Seesternen zeigt. Biologen sprechen beim Aufbau der Tiere auch von einer "fünfstrahligen Symmetrie". Die Arme, an deren Füßchen Saugnäpfe fehlen, heben die Schlangensterne aber auch gleichzeitig aus ihrer Verwandtschaft heraus: "Sie sind länger und schlanker als bei den meisten Seesternen und deutlich vom Körper, der Zentralscheibe abgesetzt", sagt Heidrun Rohr. Die Schlangensterne sind dadurch beweglicher als Seesterne und auch flinker unterwegs. Man könnte glatt sagen, dass sie die Sprinter in er Seesternverwandtschaft sind.

Olivgrüne Schlangensterne (Ophiarachna incrassata) leben auf Sandböden und Korallenschutt in den Korallenriffen des tropischen Indopazifik. Sie kommen von der Küste Ostafrikas bis nach Japan, Hawaii und den Inseln des südlichen Pazifik in Tiefen von fünf bis 40 Metern vor. Unter den Schlangensternen gehören sie mit einem Körperdurchmesser von bis zu fünf Zentimetern und Armlängen von bis zu 25 Zentimetern zu den größeren Exemplaren. "Ich habe beim Tauchen in unserem Korallenbecken aber auch schon einen Olivgrünen Schlangenstern gesehen, dessen Körper noch größer war, sicherlich sieben bis acht Zentimeter im Durchmesser. Ein echter Riese!", sagt Heidrun Rohr. Hugo, der in einem kleineren Becken lebt, sei dagegen mit noch nicht einmal fünf Zentimetern Durchmesser noch nicht ausgewachsen.

Dafür ist er so hübsch wie alle seine Artgenossen: Auf olivfarbenem Untergrund (manche Tiere aus tiefen Regionen können auch leuchtend gelbgrün oder zitronengelb sein) zeigen Olivgrüne Schlangensterne Muster von in Reihen angeordneten hellen Punkten mit dunklem Rand. Jedenfalls alle älteren Tiere; frisch geschlüpfte Olivgrüne Schlangensterne sind knallrot gefärbt und fangen mit dem Farbwechsel erst langsam von den Armspitzen her an.

Wie genau sich die Tiere vermehren, ist dabei noch gar nicht genau bekannt. Forscher vermuten, das einerseits Larven in einer Bruttasche an der Unterseite des Körpers gepflegt werden. "Schlangensterne können sich aber auch darüber vermehren, dass sie Arme bewusst abwerfen und sich diese zu einem neuen Tier entwickeln", sagt Heidrun Rohr. Diese ungeschlechtliche Vermehrung wird im Fachjargon Fissiparie genannt. Auch sonst schmeißen die Tiere gerne mit Extremitäten um sich, etwa, um Feinden zu entgehen. Abgestoßene Arme werden danach aber wieder nachgebildet.

Gebrauchen können die Schlangensterne alle fünf Arme, nicht nur zum laufen, sondern auch für die Jagd. Hugo und seine Kollegen, die sich tagsüber unter Steinen und Korallen verborgen aufhalten, erhaschen nachts bodenbewohnende Kleinlebewesen. "Sie angeln aber auch regelrecht nach Nahrung, wenn wir die Fische füttern", sagt Heidrun Rohr. Dazu kämen die zehn Tiere sogar tagsüber aus ihren Verstecken hervor und kletterten in den Aquarien herum. Verdammt schnell, weil verdammt verfressen.

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