Ein Tourist kommt in ein Kloster. Man bietet ihm für die Nacht eine Mönchszelle an: ein Bett, ein Stuhl, ein Kreuz an der Wand. "Haben Sie sonst keine Möbel?", fragt der Tourist. "Haben Sie welche?", fragt der Mönch zurück. "Ich bin doch auf der Durchreise", antwortet der Gast kopfschüttelnd. Der Mönch lächelt: "Wir auch!"

Weniger ist manchmal mehr. Darum mag ich Mönchszellen, jedenfalls für eine Weile. Sie entrümpeln mich. Zuerst werde ich müde - und dann auf eine neue Weise wieder wach.

Der Mensch baut sich auch von außen nach innen. Wenn um mich herum Leere ist, dann kann mein Geist Ballast abwerfen, sich ausbreiten und neu sortieren. Es ist, als würde ich meinen inneren Keller ausräumen und endlich Zeit haben für die nicht zu Ende gedachten Gedanken, die nicht zu Ende gefühlten Gefühle.

"Erforsche mich, Gott, und erkenne mein Herz", spricht der Psalm-Beter. Weniger ist mehr. Mehr Sein, weniger Schein. Mehr Sinn für das, was wirklich sinnvoll ist. Jesus wird der Satz nachgesagt: "Die Welt ist eine Brücke, gehe hinüber, aber baue kein Haus darauf."

Wir sind zu Gast auf unserem Erdenstern. Es muss keine Mönchszelle sein, die daran erinnert. Ein weiter Himmel, ein Bergpfad, ein See, wogende Felder, rauschende Bäume tun das Ihre - Entrümpelung für die Seele. Manches gehört aussortiert. Aber dazwischen sind Schätze, Ideen, Träume und Visionen, verstaubt im Alltagsgeschäft. Ihre Spur kann ich wieder aufnehmen, ihnen nachgehen.

Ich glaube nicht an den Satz von Helmut Schmidt: "Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen." Wir leben in Zeiten, in denen Menschen wieder aufstehen für ihre Träume, viel riskieren und viel erreichen können. Vielleicht lernen wir wieder, nicht nur für uns selbst zu träumen von einem noch besseren Leben, sondern für die Welt. Es ist Zeit, wenn wir sie nicht ruinieren wollen. Weniger ist mehr. Jede Reise kann eine Übung sein, den vermeintlich normalen Lauf der Dinge zu unterbrechen und andere Wege zu gehen.

Pastorin Melanie Kirschstein pastorin@epiphaniengemeinde.de