Hamburg. "Und tschüs!" Es war ein fröhlich geschmetterter Abschiedsgruß damals, ohne vernehmbare Häme oder auch nur die Spur eines Missklangs. Und dazu die nette Ankündigung, noch den Müll rauszubringen. Eine freundliche Geste, so schien es. Doch im Nachhinein hat die angebliche Hilfeleistung einen ganz üblen Beigeschmack.

Denn bei der Gelegenheit, als Nikolai H. sich seinerzeit in der Wohnung seines Bekannten Pascal D. den Abfall schnappte und als scheinbar hilfsbereiter Geist verschwand, hat der 31-Jährige offenbar nicht nur den Müll entsorgt. 850 Euro Bargeld, sagt sein Kumpel Pascal D., seien jedenfalls spurlos aus seinem Küchenschrank verschwunden.

Der Zwist ums liebe Geld hat der früheren Männerfreundschaft offenbar den Garaus gemacht. Das ist spürbar durch die frostige Sturheit, mit der die beiden Männer jetzt bei ihrem Treffen im Prozess vor dem Amtsgericht jeden Blickkontakt meiden. Abgesehen davon sind bei Nikolai H., wegen Diebstahls angeklagt, kaum Gemütsregungen zu erkennen. Mit stoischem Gleichmut lässt der Hamburger die Vorwürfe an seinem großen, massigen Körper abprallen. "Ich wusste von dem Geld nix und habe es auch nicht genommen" - das ist alles, was dem Kundenbetreuer, der bei einem Unternehmen arbeitet, über die Lippen kommt.

Das kann die Überzeugung von Pascal D., dass als Täter niemand anderes als sein Kumpel Nikolai H. infrage kommt, wahrlich nicht erschüttern. Der Angeklagte sei der Einzige, der zur fraglichen Zeit Zugang zu dem Geld gehabt habe, sagt der Zeuge im Prozess, und niemand außer dem 31-Jährigen habe von dem Versteck im Küchenschrank gewusst. Wegen eines gemeinsamen Arbeitsprojekts sei Nikolai H. seinerzeit regelmäßig bei ihm in der Wohnung gewesen, erzählt Pascal D. "Er hat schon fast bei mir gewohnt." Zur selben Zeit habe er sich für eine fällige Zahlung von einem anderen Kollegen 900 Euro geliehen und den Umschlag mit dem Geld im Küchenschrank verstaut. Das müsse Nikolai H. mitbekommen haben.Täglich habe er sich vergewissert, dass das Geld sich nicht in Luft aufgelöst habe. So habe er oft im Küchenschrank nachgesehen. "Ich habe mich jedes Mal gefreut, dass das Geld da ist."

Einmal habe jedoch die Schranktür offen gestanden. "Ich sagte zu Nikolai noch im Witz: Wenn du etwas aus dem Schrank nimmst, mach wenigstens die Tür wieder zu." Nur einmal habe er sich selbst am Geld bedient und 50 Euro abgezweigt, um gemeinsam mit Nikolai H. Lebensmittel einzukaufen. Am nächsten Tag sei sein Bekannter jedenfalls in der Küche gewesen, habe sich dann mit dem Abfall in der Hand verabschiedet. "Einen weiteren Tag später rief er an und wollte mir für seinen Vater einen Drucker abkaufen." Darüber habe er sich noch gewundert, dass sein sonst notorisch klammer Bekannter plötzlich 150 Euro übrig hatte. "Als ich das Geld dann zu meinen anderen Scheinen in den Küchenschrank legen wollte, bekam ich einen Schreck: Das Geld war weg!"

Die Verteidigerin von Nikolai H. sät nach Kräften Zweifel. Theoretisch komme ein Einbrecher als Täter infrage, mutmaßt sie. Und wirft die Fragen auf, ob der Vormieter der Wohnung oder auch der Vermieter noch jeweils einen Schlüssel besäßen und in das Ein-Zimmer-Appartement eingedrungen sein könnten. Ausgeschlossen, winkt der Zeuge ab. Mit detektivischem Spürsinn hatte er seinerzeit auch noch versucht, Beweise zu sichern. Einen Geldschein, den Nikolai H. ihm beim Kauf des Druckers übergeben hatte, hatte er an die Polizei zur Spurensicherung weitergereicht. Er habe sich überlegt, "wenn Fingerabdrücke von dem Mann zu sichern sind, der mir die 900 Euro geliehen hatte, wäre das vielleicht eine Möglichkeit gewesen, den Diebstahl nachzuweisen." "Eine Möglichkeit, die aber nicht geklappt hat", konstatiert die Verteidigerin mit einem triumphierenden Lächeln.

Doch auch ohne Fingerabdrücke ist der wegen Diebstahls und Betrugs vorbestrafte Angeklagte nach Überzeugung des Staatsanwaltes überführt. Und auch der Amtsrichter hält alle anderen Alternativen - wie einen Einbruch - angesichts der Schilderungen des Zeugen für "so fernliegend", dass er Nikolai H. verurteilt. 1200 Euro Geldstrafe muss der 31-Jährige zahlen. "Sie hatten als Einziger die Möglichkeit zum Diebstahl", sagt er an den Angeklagten gewandt. "Und zum Schluss haben Sie noch einmal einen Anlass gefunden, in die Küche zu gehen, indem Sie den Müll geholt haben." Für Pascal D. bleibt die Erkenntnis, dass er beim nächsten Mal lieber selbst anpackt. Sicher ist sicher.

Die nächste Kolumne erscheint am 5. August.