Ein Mann war wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen angeklagt. Das Verfahren wurde ohne Geldbuße eingestellt.

Neustadt. Am Ende behält der Angeklagte recht, und die Verhandlung entpuppt sich als das, was er dem Richter zu Beginn zornig entgegengeschleudert hat: als Farce. Und als Verschwendung von Steuergeldern. Selbst die Einstellung des Verfahrens zu guter Letzt - wegen geringer Schuld, aber ohne Geldbuße - hat den Hautgout eines faulen Kompromisses. Mit einem Verteidiger an seiner Seite wäre der 62-Jährige vermutlich freigesprochen worden.

Jens W., ein Mann mit welligen, weißblonden Haaren und einer hünenhaften Statur soll seine Pflicht vernachlässigt haben, so sieht es die Staatsanwaltschaft, die ihm vor dem Amtsgericht Mitte gestern eine fahrlässige Körperverletzung durch Unterlassen zur Last legte. Die Firma von Jens W. war von einer Hausverwaltung beauftragt worden, im frostigen Winter 2009 auf einem Bürgersteig am Lehmweg (Eppendorf) Schnee zu räumen und zu streuen. Weil aber Jens W. - oder ein Mitarbeiter - am 17. Dezember 2009 dieser Pflicht nicht nachgekommen war, so die Staatsanwaltschaft, stürzte ein Rentner und verletzte sich schwer.

Uwe Z., 74, war damals gegen 22.20 Uhr auf dem Weg zum Restaurant eines befreundeten Gastronomen. "Ich bin vorsichtig gelaufen", sagt Uwe Z. vor Gericht. Trotzdem sei er mit Karacho aufs vereiste Pflaster geknallt, und "das fühlte sich an wie ein Schuss ins Bein". Der Rentner, der sich den Oberschenkel gebrochen hatte, muss sich noch immer Folge-Operationen unterziehen.

An der Misere, so die Staatsanwaltschaft, trage Jens W. die Schuld. Eine Schuld, die nach Einschätzung von Anklage und Gericht indes als gering anzusehen ist, und deshalb könne das Verfahren eingestellt werden - sofern Jens W. eine Geldbuße zahle. Doch da setzt sich der Angeklagte energisch zur Wehr: Seine vertraglichen Pflichten ergäben sich aus dem Hamburger Wegegesetz, darin sei festgelegt, dass nur von sieben bis 20 Uhr geräumt und gestreut werden muss. Der Unfall ereignete sich aber um 22.20 Uhr, und bis dahin hatte es mit Pausen nachweislich geschneit. Nicht auszuschließen also, dass es erst nach 20 Uhr glatt wurde. Doch warum soll das nun Jens W.s Problem sein? Der Staatsanwalt blickt konsterniert auf, dabei hätte sich der Vorwurf bereits mit einfacher Logik und sorgfältigen Ermittlungen aus der Welt schaffen lassen können. Zumal auch keine Polizeiprotokolle, Fotos oder weitere Zeugenaussagen vorliegen, die für eine Pflichtvergessenheit von Jens W. sprechen. Doch weil er einem Strafbefehl über 750 Euro widersprochen hatte, klagte die Staatsanwaltschaft den 62-Jährigen dem gängigen Prozedere gehorchend an, und das Gericht ließ die Anklage zu. Ein fataler Automatismus.

Am Ende muss Jens W. keinen Cent zahlen, die Logik siegt, das Gericht stellt das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. "Wir können es nicht mehr aufklären", sagt der Richter - und zum Unfallopfer: "Ein unbefriedigendes Ergebnis." Das gilt für den gesamten Prozess.