Hamburg. Es sollte ein kuscheliges Grillfest im Bekanntenkreis werden. Doch die drängendste Frage bei solchen Festivitäten scheint heutzutage nicht mehr zu sein: Was kaufe ich ein? Sondern: Wie lade ich ein?

Und die richtige Antwort ist offenbar: Der moderne Gastgeber fährt den Rechner hoch, begibt sich ins Internet, erstellt eine Veranstaltung in einem sozialen Netzwerk und informiert anschließend die erwünschten Kontakte.

Ist schließlich kein Teufelswerk, dachte sich wohl auch ein bratwurst- und internetaffiner Hausherr aus Hamburg, fuhr den Computer hoch, begab sich in das Business-Netzwerk Xing, formulierte einen betont lässigen Zweizeiler ("Hi folks, letz have some sausage at my home together. Please bring your spouse.") und drückte den Bestätigungsknopf.

Dumm nur, dass die Einladung zum Barbecue mit Freunden und geneigten Lebensabschnittsgefährten nicht bloß den überschaubaren Kontaktkreis des Hausherrn erreichte. Die mit "grill the beast" überschriebene Veranstaltung wurde öffentlich sichtbar und bei böswilliger Auslegung an elf Millionen Xing-Nutzer adressiert. Alle konnten sehen: 22. Juni, 19 Uhr, zwanglose Zusammenkunft in einem Hamburger Einfamilienhaus in Alsternähe. Autsch.

Solche unfreiwilligen Masseneinladungen kannte man bislang nur aus der Facebook-Welt, wo erst kürzlich eine gewisse Thessa aus Hamburg fragwürdigen Ruhm erlangte, weil sie ihren Geburtstag versehentlich öffentlich feiern wollte (und schließlich auch mit Polizeischutz musste). Doch nun trifft es erstmalig Xing, das ansonsten nüchtern-seriös angestrichene Netzwerk für Karrierebewusste. Für das erfolgreiche Unternehmen (306 Mitarbeiter, 54 Millionen Euro Umsatz) ist es aber bedauerlicherweise nicht ein unbedarfter Jugendlicher, der Hinz und Kunz zur Grillsause eingeladen hat, sondern - peinlich, peinlich: der Vice President Operations der Xing AG.

Seit Monatsbeginn gibt sich das Kontaktportal für Geschäftsleute jugendlich frisch, wird mit neuen Funktionen und neuer Optik präsentiert. Man könnte sagen: Xing, 2003 von Lars Hinrichs in Hamburg gegründet, ist facebookig geworden. Aber anscheinend brauchen selbst hochrangige Mitarbeiter noch etwas Eingewöhnungszeit für die schöne neue Xing-Welt. Oder, wie relaunchkritische Nutzer des Netzwerks kommentieren: "Selbst Xing-Mitarbeiter steigen nicht mehr durch."

Weil Xing eine andere Klientel bedient und weitaus geringere Nutzerzahlen als Facebook (675 Millionen) hat, wird dem Mitarbeiter heute wohl trotzdem ein Massenauflauf wie bei vergleichbaren Netzwerk-Fehltritten erspart bleiben. Sicherheitshalber stellte er aber klar: "Hallo zusammen, das ist mein ganz privates Grillevent und keine Xing-Veranstaltung." Er habe die Einladung versehentlich öffentlich gemacht. Betont lässig ist zudem mittlerweile auf der Einladungsseite zu lesen: Wegen der vielen angekündigten Teilnehmer habe er sich entschieden, eine Aufnahmegebühr in Form von Bratwurst, Bier und Bargeld zu erheben. 29 Gäste hatten bis dato ihr Kommen zugesichert.

Es ist anzunehmen, dass es der einladende Hausherr mit Fassung tragen wird. Auf seinem Xing-Profil bietet er schließlich "Hilfe bei Performance-Problemen" und "Krisenmanagement" an. Außerdem: "Jobs für IT-Experten mit Sinn für Humor". Ob Bewerbungen heute während des Grillfests entgegengenommen werden? Wer weiß.