Designierte Bischöfin Kirsten Fehrs: Bei demokratisch orientierten Moscheen wären öffentliche Gebetsrufe in Ordnung

St. Georg. Gewählt ist sie, das Bischofsamt für den Sprengel Hamburg und Lübeck tritt Kirsten Fehrs, 49, aber erst im November an. Die designierte Bischöfin ist Hamburger Pröpstin und Hauptpastorin in St. Jacobi. Zum Abendblatt-Interview hatte sie zwischen zwei Sitzungen gebeten, neben einer Aktentasche hat sie auch einen Talar und Blazer zum Wechseln dabei.

Hamburg Abendblatt:

Es bedurfte vier Wahlgänge, bis Sie am Freitag von den Synodalen im Michel gewählt waren. Ist das eine Belastung für das neue Amt?

Kirsten Fehrs:

Es gab mit Petra Bahr und mir zwei starke Kandidatinnen mit unterschiedlichen Profilen. In den ersten drei Wahlgängen hat sich widergespiegelt, dass die eine wie die andere eine mögliche Bischöfin ist. Nachdem Frau Bahr dann gemäß Wahlrecht ausgeschieden ist, bin ich im vierten Wahlgang mit 97 von 118 Stimmen gewählt worden. Das ist ein eindeutiges und ermutigendes Votum.

Viele sehen in Ihrem Amtsantritt ein Aufbruchsignal für eine stärkere Profilierung der evangelischen Kirche im Norden. Was ändert sich?

Fehrs:

Das lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht konkret sagen, zumal mehrere Ebenen an der Profilierung der Nordkirche beteiligt sein werden. Und Durchsagen von oben nach unten, Durchregieren ist nicht meine Art. Ich finde es faszinierend, im Gespräch mit Menschen Konsens zu finden und auch neue Positionen zu entwickeln. Dies aber zielorientiert. Wenn eine Entscheidung ansteht, dann treffe ich sie auch. Leitung durch Kommunikation ist das Stichwort.

Sie haben angekündigt, dass Sie die Kluft zwischen Arm und Reich zum Thema machen wollen. Was bedeutet das?

Fehrs:

Wir als Kirche müssen das Thema im Gespräch mit Politik und Wirtschaft einbinden und auf diese Weise an der Meinungsbildung der Gesellschaft, der polis, teilhaben. Konkret: Im Gespräch mit Vertretern der Handelskammer bringe ich das Thema Armut offensiv ein. Die Erfahrungen mit dem runden Tisch St. Jacobi zeigen, dass es hierfür eine große Offenheit gibt.

Haben wir auch öffentlich von Ihnen politische Statements zu erwarten, so wie etwa von Margot Käßmann?

Fehrs:

Wenn Menschenwürde oder Schöpfungswürde verletzt ist, ist es nötig einzuschreiten. Das gilt in der Anti-Atomkraft-Debatte oder auch in der Flüchtlingsproblematik. Da muss die Bischöfin sich äußern.

Sie sind also für den Atomausstieg, so wie er jetzt geplant ist?

Fehrs:

Der Ausstieg muss kommen, so schnell es geht. Generell jedoch ist zu sagen, dass ich nicht Positionen irgendeiner Partei vertreten will. Es geht um Parteinahme ohne Parteinamen. Ich halte es für einen Fehler, sich parteipolitisch festzulegen.

Ist Frau Käßmann ein Vorbild?

Fehrs:

Sie ist ein Unikat.

Frau Käßmann ist vielen in Erinnerung mit dem Zitat: Man kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand. Kennen Sie auch solche Tiefpunkte?

Fehrs:

Ja, die kenne ich. Allerdings ist mir das Wort in anderen Situationen nahe gewesen. Ich habe es beispielsweise gesprochen, wenn ein Mensch im Sterben lag. Oder als Seelsorgerin im Strafvollzug. Dort haben mich die tiefen menschlichen Nöte und Abgründe wirklich berührt. Es gibt Grenzsituationen im Leben eines Menschen, in denen sich ganz viel ereignet zwischen Himmel und Erde und die wir überhaupt nicht in der Hand haben. In diesen Situationen hilft mir dieser Satz.

Zu einem anderen Thema: Es treten weiter viele Menschen aus der Kirche aus. Wie ist dieser Trend aufzuhalten?

Fehrs:

Zum Beispiel mit Wiedereintrittsstellen. In St. Jacobi haben wir die Erfahrung gemacht, dass es funktioniert: Viele, die wegen des Geldes oder anderer Gründe ausgetreten sind, wollen gerne wieder Mitglied werden und suchen einen unkomplizierten Zugang. Über die Grundfrage, wie man Menschen institutionell einbinden kann, die von Glaubensfragen bewegt sind, aber unsere Kirche inzwischen nicht mehr kennen, denke ich schon lange nach.

Da muss man doch nur in die Säuglingsstationen gehen. Viele Eltern überlegen: Wie soll mein Kind aufwachsen ...

Fehrs:

... das ist eine gute Idee. Das werde ich mir merken.

Im Streit um Muezzin-Rufe von der Centrum-Moschee in St. Georg vor einiger Zeit vertrat Ihre Vorgängerin Maria Jepsen die Position, dass öffentliche Gebetsrufe vorstellbar seien. Und Sie?

Fehrs:

Wenn es eine Moschee ist, die kooperierend, demokratisch, integrierend und anti-islamistisch ist: ja. Generell bin ich der Ansicht, dass die Religionen sich gegenseitig dabei unterstützen müssen, ihren eigenen fundamentalistischen Tendenzen entgegenzutreten.

Vor dem Michel-Portal stand am Wahltag eine Mahnwache der Initiative "Missbrauch in Ahrensburg". Wegen dieses Falls war Bischöfin Jepsen im vergangenen Sommer zurückgetreten. Was muss jetzt in der Kirche passieren?

Fehrs:

In den letzten Monaten ist schon vieles geschehen. Wir müssen uns weiterhin unseren eigenen Schattenseiten stellen. Und wir müssen unseren Respekt gegenüber den Opfern von sexualisierter Gewalt deutlich machen. So biete auch ich den Opfern Gespräche an - wie es schon seitens der Kirche passiert ist. Zum Respekt gehört dabei, dass sie es wollen und auf mich zukommen.

Pfingsten 2012 soll die Fusion der Nordelbischen mit der Mecklenburgischen und der Pommerschen Kirche über die Bühne gehen. Welche Bedeutung hat die Hamburger Bischöfin in dieser Nordkirche?

Fehrs:

Wie sich die Aufgaben mit dem zukünftigen Landesbischof in Schwerin verteilen, muss sich zeigen. Ich bin aber sicher, die Hamburger und Lübecker Stimme wird stärker werden.

Als Bischöfin erwartet Sie ein voller Terminkalender und wenig Zeit für Privates. Was werden Sie am meisten vermissen?

Fehrs:

Wenn ich nicht laufen könnte. Viermal die Woche an der Alster joggen - das entspannt ungemein. Anstrengend finde ich es, wenn ich so viel sitzen muss und mich nicht genug bewegen kann. Ich bin ein agiler, energiegeladener Typ und habe immer Sport getrieben.

Dieses Jahr ist wieder WM in Deutschland. Wie stehen Sie zum Frauenfußball?

Fehrs:

Ich habe nicht viel Ahnung von Fußball. Aber die deutsche Mannschaft oder besser Frauschaft hat eine faszinierende Energie. Ich werde mir gerne das ein oder andere Spiel anschauen.

2013 ist Kirchentag in Hamburg. Was sollte dann über Sie gesagt werden? "Bischöfin Fehrs ist ..."

Fehrs:

... integrativ, munter und inspirierend. Vor allem im geistlichen Sinne.