Der ehemalige Wettermoderator schlägt gegen seine frühere Geliebte, Gericht und Medien verbal um sich - und zerstört endgültig sein Schwiegersohn-Image

Jörg Kachelmann ist auf Feindfahrt. Erst schlug er in der "Zeit" zu, jetzt in der Schweizer "Weltwoche". Er bezeichnet die Mannheimer Staatsanwälte als "eine Gefahr für den Rechtsstaat", er attackiert speziell den Ankläger Oltrogge "mit seinem Knabensopran", er spricht von der "deutschen Gaga-Justiz", er nennt die Boulevardpresse "Elendsprodukte". Als die "willfährigsten Sprachrohre der lügenden Staatsanwaltschaft Mannheim" hätten sich "Springer, Burda, ,Stern', ,Süddeutsche' (Zeitung)" geriert.

Journalistische Beobachter des Mannheimer Prozesses erklärt er zu "unkritischen und obrigkeitshörigen Speichelleckern einer durchgeknallten Staatsanwaltschaft", er beschimpft Deutschlands Großkolumnisten Franz Josef Wagner als "Schmierenschreiber", den führenden Schweizer Verlag Ringier (das ist der Verlag von "Cicero") erklärt er zu "einer früher anständigen Adresse", und Alice Schwarzer ist für ihn jetzt "eine böse alte Frau", und danach erwähnt er sie auch noch als "Schutzheilige einer Kriminellen". Damit ist die südwestdeutsche Radiomoderatorin Claudia D. gemeint, die Ex-Geliebte, die mit ihrer Strafanzeige den Stein gegen Kachelmann ins Rollen brachte.

Die Frage, ob sich dahinter eine Kommunikationsstrategie verbirgt, ist keine. Kachelmann hat keine Strategie. Deshalb wirkt er jetzt wie eine unguided Missile, eine außer Kontrolle geratene Rakete. Wahrscheinlich will der Wettermann auch keinen Medienprofi an der Seite, weil er sich selber für einen hält. Jörg Kachelmann hat - wie seine Gegenspielerin, Frau D. - nur noch Hass. Für den Fall, dass diese Frau ihn zu Unrecht beschuldigt und im Verein mit der Mannheimer Staatsanwaltschaft öffentlich ruiniert hat, habe ich für Kachelmanns Zorn tiefes Verständnis. Erst vier Monate in Haft, dann öffentlich vorgeführt, danach von einem merkwürdigen Richter zweckfrei mit einer Stafette von Ex-Geliebten konfrontiert, die mit dem Fall nichts zu tun hatten, bevor das mutmaßliche oder vorgebliche Opfer erschien: Das ist derart heftig, dass niemand von Kachelmann jetzt Freundlichkeiten erwarten kann. Wer so öffentlich fertiggemacht wurde oder werden sollte, muss sich nicht gut benehmen. Unglaubwürdiger machen ihn seine Interviews nicht.

Für den anderen Fall hingegen, dass Frau D. mit ihrer Anschuldigung der Vergewaltigung im Recht sein sollte, gebührt Kachelmann ein Gastauftritt am Zürcher Schauspielhaus, also dort, wo Sätze für die Ewigkeit gesprochen werden.

Aber auch für diese Variante stellt sich die Frage: Ist es klug, wie Jörg Kachelmann vorgeht?

Für die mögliche, aber unwahrscheinliche Revision ist das egal. Es gibt noch seriöse Bundesrichter in Deutschland. Und dennoch bleibt eine Wahrheit: Durch diese Interviews, die auch in den Medien zitiert werden, die Kachelmann jetzt verachtet und bekämpft, wird er nicht sympathischer.

Lange Zeit hatte der Schweizer eine Art Schwiegersohn-Image, also die Wahrnehmung eines Mannes, den man sich sehr gut als Mitglied der Familie, als Nachbarn, als Freund vorstellen konnte. Ein bisschen quer, ein bisschen frech, insgesamt aber ein netter Typ.

Dieses Image ist natürlich durch diesen unsäglichen Mannheimer Prozess zerstört, das kommt nie wieder. Aber durch sein brachiales Auftreten jetzt schafft er sich zusätzliche Feinde, die er nicht braucht, offenbar nach dem Motto "Wenn schon böse, dann aber richtig".

Mit jedem Interview mehr lenkt er auch ab von der massiven öffentlichen Kritik am Gerichtsverfahren.

Dieses Gericht von Mannheim erinnerte mich an den ebenso berühmten wie fragwürdigen Prozess gegen Alexander Falk in Hamburg (mehr als 170 Prozesstage). Im Gegensatz zu Falk hatte Kachelmann Glück - seine Verurteilung wäre angesichts der Beweislage einem öffentlichen Skandal gleichgekommen. Der seltsame Richter von Mannheim heißt Michael Seidling. Wenn Kachelmann weiter so um sich schlägt, wird man diesen Seidling bald vergessen. Leider.

Stattdessen wartet man inzwischen täglich auf neue Wutausbrüche des Wettermannes.