Michael Ballack wird aus der Nationalmannschaft geworfen, Dirk Nowitzki feiert seinen größten Sieg. Zwei Spitzensportler im Herbst ihrer Karriere

Als Michael Ballack mittels einer knappen Presseerklärung zum Ex-Nationalspieler degradiert wurde, ließ sich Dirk Nowitzki 8109 Kilometer entfernt von 300 000 Texanern während einer Siegerparade entlang der Houston Street in Dallas feiern. Zwei Sportler, wie sie kaum unterschiedlicher in die Zielgerade ihrer Karrieren einbiegen können.

Auf der einen Seite Michael Ballack, 34, der langjährige Kapitän der deutschen Nationalelf, der das vergangene Fußballjahrzehnt prägte, aber zum großen Unvollendeten des deutschen Fußballs wurde. Jenseits des Atlantiks Dirk Nowitzki, der Kapitän der Dallas Mavericks, der an diesem Sonntag seinen 33. Geburtstag feiert und sich seinen Lebenstraum erfüllte.

Zwei Sportler, zwei Lebenswege. Ballack, der letzte gesamtdeutsche Fußballstar, der als Kind noch zwischen den Plattenbauten gekickt hatte, war nach 98 Länderspielen ein Auslaufmodell. Nowitzki, der globale deutsche Basketballstar, der als German Wunderkind in den USA mehr Bonuspunkte sammelte, als es Angela Merkel je könnte. In Internet-Foren hatten Nowitzki-Fans vor der entscheidenden Finalserie der nordamerikanischen Profiliga NBA bang gefragt: "Wird Dirk der Basketball-Ballack?" Aber mit Leidenschaft, Hingabe und seinem unendlichen Talent gelang dem Würzburger der unerwartete ultimative Triumph. Ohne ihn, das steht fest, wäre die Victory Plaza in Dallas ihrem Namen wohl nie gerecht geworden.

In Miami, zu Beginn der entscheidenden NBA-Spiele, kreuzten sich vor einigen Tagen ihre Wege. Ballack saß am Spielfeldrand, als Nowitzki seine ersten Körbe warf, wie ein Edelfan, der die Magie des Moments erkannte. Den eigenen passenden Moment hatten sowohl Ballack als auch sein Vorgesetzter Joachim Löw verpasst. Der gebürtige Görlitzer hätte schon nach der erfolgreichen WM 2010 erkennen müssen, dass seine Zeit als einsamer Alter im Ensemble der jugendlichen Stars abgelaufen war. Der Trainer wiederum, dem Ballack noch bei der EM 2008 gegen Österreich mit einem Gewaltschuss die Karriere rettete, ließ seinen ehemaligen Vorzeigespieler viel zu lange zappeln. Ein unwürdiges Schauspiel.

Dirk Nowitzki tat alles für den Erfolg, er ignorierte eine gerissene Sehne im Finger, er lief fiebergeschüttelt auf das Feld. Er übernahm Verantwortung, wenn seine Mitspieler überfordert waren. Er spielte seine ganze Profikarriere nur für dieses eine Team. Ballack versuchte es bei deren sechs, endlich die begehrten Titel zu gewinnen. Jetzt nennen sie Nowitzki "The Kaiser". Eine Ehre, die im Fußball schon lange vergeben ist.

Ballack fehlt die ganz große Krönung. Die begehrtesten Titel für einen Profifußballer, Welt- oder Europameisterschaft und die Champions League, gingen mehr oder weniger knapp an ihm vorbei. Ein Versager ist er deswegen nicht.

Während Dirk Nowitzki in Dallas auf viele Millionen verzichtete, damit sein Team weitere Spieler unter die Gehaltsobergrenze packen konnte, brachte Ballack bei der WM 2002 ein sportliches Opfer. Er rettete im Halbfinale gegen Südkorea mit einem taktischen Foul den deutschen Sieg, musste aber wegen einer Gelben Karte beim Finale zuschauen.

Am Ende wird man sich an die Gesichter erinnern. An Ballack, der nach epischen Niederlagen mit feuchten Augen ins Leere starrte, seinem Selbstverständnis wieder ein Stück entrückt. An Nowitzki, den entfesselten Wikinger, der gern die Zunge zeigte und nach dem einen großen Sieg in die Kabine stürmte und hemmungslos losheulte. Auch dafür lieben sie ihn in Dallas. Teambesitzer Mark Cuban würde seinem treuen Star am liebsten ein Denkmal setzen. Man könnte meinen, vier Mitspieler im Basketball seien leichter zu führen als zehn im Fußball. Doch wer die Egos in der NBA kennt, hält deutsche Fußballprofis für artige Angestellte.

Michael Ballack war einmal Nationalspieler. Den entscheidenden Tritt verpasste ihm aber nicht Löw, sondern Kevin-Prince Boateng im englischen Pokalfinale 2010. Das Aus für die WM bedeutete auch das Ende aller internationalen Hoffnungen. Als Ballack an jenem 15. Mai im Wembleystadion mit gerissenem Innenband und schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen lag, wird er gewusst haben, dass sich sein sportliches Schicksal erfüllte. Die Nummer 13 hat ihm am Ende kein Glück gebracht.