TÜV Nord baut für für zehn Millionen Euro die Hamburger Niederlassung am Diebsteich in Stellingen aus. Weitere Mitarbeiter sollen kommen.

Hamburg. Die Unternehmensgruppe TÜV Nord baut ihre Niederlassung in Hamburg aus. Mit einer Investition von zehn Millionen Euro erweitert das Unternehmen die Bürofläche am Diebsteich in Stellingen um 3000 Quadratmeter und schafft damit Platz für weitere Mitarbeiter. "In den vergangenen fünf Jahren haben wir in Hamburg jeweils 100 bis 150 Mitarbeiter neu eingestellt. Das wird voraussichtlich auch in diesem und im kommenden Jahr so bleiben", sagte Guido Rettig, Vorstandsvorsitzender von TÜV Nord, dem Abendblatt. Das Unternehmen beschäftigt in der Hansestadt bereits mehr als 1000 Mitarbeiter.

Das Bauprojekt umfasst den Abriss und den Neubau der TÜV-Station, das neue siebenstöckige Bürogebäude, den Abriss eines sanierungsbedürftigen Gebäudes, den Bau eines Parkhauses mit 200 Plätzen und den Ausbau der Akademie im bestehenden Gebäude.

Die Prüfungsgesellschaften des TÜV in Deutschland - ursprünglich "Technische Überwachungsvereine" - erlebten in den vergangenen 20 Jahren einen radikalen Wandel. Die vielen regionalen Organisationen fusionierten nach der deutschen Einheit so lange, bis nur noch drei große Gruppen übrig blieben: TÜV Nord, TÜV Süd und TÜV Rheinland. Zum TÜV Süd gehört auch TÜV Hanse in Hamburg. Mit diesem und mit anderen Unternehmen, darunter Germanischer Lloyd oder Dekra, konkurriert der TÜV Nord, dessen Zentrale in Hannover sitzt. Bei den klassischen Hauptuntersuchungen für Fahrzeuge hält der TÜV Nord in Hamburg nach eigenen Angaben einen Marktanteil von rund 21 Prozent, der TÜV Hanse rund 24 Prozent. Marktführer ist die Dekra mit mehr als 33 Prozent.

Der TÜV Nord beschäftigt weltweit rund 14 000 Mitarbeiter. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz auf rund 923 Millionen Euro (2009: 850 Millionen Euro), der Vorsteuergewinn (EBT) auf rund 49 Millionen Euro (28 Millionen Euro). Die meisten Menschen kennen den TÜV durch die obligatorischen Kfz-Untersuchungen. Die Prüfgesellschaften betreiben aber ein wesentlich breiteres Geschäft - so auch der TÜV Nord. Dies ist vor allem das Geschäft mit den Anlagen von Industriekunden, verstärkt auch Bildungsarbeit und die Suche nach Rohstoffen. Rund 20 Prozent des Umsatzes macht TÜV Nord mittlerweile im Ausland.

"Wir haben unser Geschäft in den vergangenen Jahren stark diversifiziert", sagte Rettig. "Heutzutage sind wir sehr umfassend am Energiemarkt tätig, von der technischen Abnahme konventioneller Kraftwerke über erneuerbare Energien bis hin zur Suche und Erkundung von Lagerstätten für Rohstoffe." Über den von der Bundesregierung beschlossenen Atomausstieg und den Ausbau der erneuerbaren Energien äußerte sich Rettig skeptisch. "Ich bin gespannt, ob die erneuerbaren Energien für unsere Branche tatsächlich ein großer Wachstumsmarkt sein werden. Auf jeden Fall werden wir Rückgänge im Geschäft mit konventionellen Kraftwerken kompensieren müssen. Da sind wir auf einem guten Weg." Für den Industriestandort Deutschland könnte die Stromversorgung im Zuge des Atomausstiegs, aber auch durch den anhaltenden Widerstand aus der Bevölkerung gegen neue Kohlekraftwerke schwieriger werden.

Von großer strategischer Bedeutung für das Unternehmen ist der Bildungsmarkt. TÜV Nord bildet Arbeitslose weiter, schult aber auch hoch qualifizierte Fachkräfte aus Unternehmen. Durch die Sparmaßnahmen des Bundes kommt vor allem die Fortbildung von Arbeitslosen unter Druck. "Wir haben unsere Fortbildungsangebote hier im Norden in den vergangenen Jahren mit zum Teil 70 Prozent Vermittlungsquote sehr erfolgreich betrieben", sagte Rettig. "Dass die Bundesregierung allerdings die Mittel für die Fortbildung von Arbeitslosen kürzen will, passt überhaupt nicht zusammen mit dem viel beklagten Mangel an Fachkräften. Dieser Mangel wird sich in den kommenden Jahren noch viel dramatischer bemerkbar machen."