Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher schreibt jede Woche über einen außergewöhnlichen Fall

Hamburg. Eine nachdrückliche Beteuerung, ein offenherziger Augenaufschlag reichen ihm wohl nicht. Der Mann bemüht schon lieber überirdische Instanzen, in der Hoffnung, seiner Aussage unwiderstehliches Gewicht zu verleihen. "Ich schwöre bei Gott, dass das stimmt", ringt Redouane B. um Verständnis und die Zusage, dass man ihm doch bitte Glauben schenke. Dass man ihm abnehmen möge, dass er nichts Schlimmes getan habe, dass er unschuldig sei. Dass er an dieser Frau, die ihn angezeigt habe, weil er sie angeblich belästigte, überhaupt kein besonderes Interesse habe. "Vielleicht will sie ja etwas von mir", überlegt der 41-Jährige. "Aber ich will ganz bestimmt nichts von ihr. Ich bin glücklich verheiratet - und das jetzt seit 13 Jahren!"

Doch das eine schließt das andere nicht unbedingt aus. Und so sieht sich Redouane B. dem Vorwurf ausgesetzt, er habe seiner Bekannten Eugenia K. beharrlich nachgestellt. So penetrant, dass sie eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt hat, nach der der Mann einen Mindestabstand von 100 Metern zu ihr einhalten muss. Weil er gegen diesen Beschluss verstoßen haben soll, muss sich der 41-Jährige jetzt vor dem Amtsgericht verantworten.

Doch aus Sicht von Redouane B. ist das eine empörende Unterstellung. Händeringend beschwört der kräftig gebaute, schwarzhaarige Mann seine Unschuld. Er kenne die Frau "nur vom Sehen. Ich weiß nicht, was sie gegen mich hat", beteuert der Angeklagte. Nur einmal habe er sie zufällig getroffen und mit ihr in einem Café gesessen. Danach habe sie "nicht mehr lockergelassen. Daraufhin habe ich sie mal als Schlampe beleidigt". Und das tue ihm natürlich im Nachhinein leid. Offenbar wolle Eugenia K. ihm schaden.

Bei der Verhandlung, in der sie die einstweilige Anordnung gegen ihn erwirkt hatte, habe ihr Freund ihm zudem angedroht: "Ich mache Hackfleisch aus dir!" Das habe er deshalb noch so genau in Erinnerung, "weil doch damals Ramadan war". Und außerdem habe er für die beiden fraglichen Tage, an denen er laut Anklage Eugenia K. zu nahe gekommen sein soll, Alibis und sei überhaupt nicht in ihrem Stadtteil gewesen. Das habe er einwandfrei rekonstruieren können. An dem einen angeblichen Tattag habe er seine Ehefrau genau zu der Zeit, in der er die Frau belästigt haben soll, von der Arbeit abgeholt. "Das konnten wir anhand ihres Dienstplans nachvollziehen." Und bei der anderen Gelegenheit sei er mit einem Bekannten zusammen gewesen und habe über Geschäfte geredet, sagt der Mann, der im Exportgeschäft tätig ist. Deshalb könne er ihr unmöglich zu nahe gekommen sein.

Jetzt im Gerichtssaal ist deutliches Abstandhalten ohnehin illusorisch. Kaum zwei Meter trennen den Angeklagten und Eugenia K., als die zierliche Blondine ihre Zeugenaussage macht. Redouane B. habe sie vor Jahren einmal angesprochen, erzählt die 48-Jährige. "Er stellte sich als französischer Journalist vor, gegen eine Bekanntschaft hatte ich nichts." Doch der Mann habe sie massiv bedrängt und "wollte unbedingt mit zu mir nach Hause, mit mir schlafen wahrscheinlich". Wegen seiner Aufdringlichkeit habe sie dann die Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz erwirkt, sagt die Zeugin. "Er hat mich bedroht und gesagt, er wolle mich fertigmachen." Deshalb sei sie auch so entsetzt gewesen, als sie Redouane B. in den vergangenen Monaten zweimal in ihrer Nähe gesehen habe. "Er ging auf mich zu, ich hatte Angst." Bei dem zweiten Vorfall sei er auf der anderen Straßenseite unterwegs gewesen. "Er drehte den Kopf weg, und ich habe einen Haken geschlagen, um ihm auszuweichen."

Ist diese flüchtige, möglicherweise unbeabsichtigte Begegnung überhaupt so gravierend? Die Anwältin des 41-Jährigen nutzt die Zeugenaussage, um eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit anzuregen. "Er dreht seinen Kopf weg, weiter ist nichts passiert", argumentiert die Verteidigerin. Auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft scheint nicht abgeneigt zu sein, dieser Lösung zuzustimmen. Doch wenn es einen weiteren Vorfall gebe, werde das "Konsequenzen haben", kündigt der Ankläger an.

Der Amtsrichter stellt das Verfahren schließlich ein und meint, es sei "am besten, Sie machen einen großen Bogen" um den Stadtteil, in dem Eugenia K. lebt. "Es geschieht bestimmt nichts", beeilt sich Redouane B. zu versichern und lächelt erleichtert. "Hand aufs Herz! Ich habe einen Job, ich habe eine hübsche Ehefrau, und mit der anderen Frau habe ich nichts zu tun."