Der Hamburger Senat soll sich laut Bürgerschaftsvotum für die Neuauflage der Abgabe starkmachen. Doch sie führt nicht zu mehr Gerechtigkeit, meint der Ex-Senator

Die Bürgerschaft hat den Senat aufgefordert, durch bundespolitische Initiativen die "Wiedereinführung einer reformierten Vermögenssteuer" zu erreichen. So sollen neue Einnahmequellen erschlossen und mehr Steuergerechtigkeit geschaffen werden. Auf den ersten Blick scheint die Einführung einer neuen Steuer durchaus eine Möglichkeit zur Erreichung dieses Ziels zu sein. Aber hält dieses Vorhaben einer kritischen Prüfung stand?

Die Vermögenssteuer ist eine Substanzsteuer. Nicht die Erträge, die mit Vermögen erzielt werden, sind Grundlage für die Besteuerung, sondern allein die Höhe des Vermögens, unabhängig davon, ob Gewinne oder Verluste mit dem Vermögen erzielt werden. Schon dieser Ansatz ist problematisch. Ein für die Hamburger Wirtschaft typisches Beispiel soll das veranschaulichen. In der Finanzkrise machten die Reedereien hohe Verluste. Überschüsse, mit denen die Vermögenssteuer hätte bezahlt werden können, standen nicht zur Verfügung. Ein zur Vermögenssteuer verpflichteter Reeder hätte Substanz, etwa ein Schiff, verkaufen müssen, um seine Steuerschulden zu begleichen (wobei Schiffe zu der Zeit, wenn überhaupt, nur mit hohem Wertabschlag zu verkaufen waren). So reduziert jede Substanzbesteuerung ihre eigene Basis, gefährdet damit langfristig selber ihr Aufkommen und noch bedeutsamer: gefährdet Arbeitsplätze. Es sollte niemals die Substanz, sondern immer der Ertrag, der aus dem Vermögen fließt, Grundlage für die Besteuerung sein.

Die Initiatoren des Antrages wollen diesen Grundfehler umgehen, indem sie "produktive Betriebsvermögen" ausklammern. Die großen industriellen Familien in Deutschland haben ihr Geld aber weitgehend in Produktivvermögen (Unternehmensbeteiligungen, Aktien etc.) angelegt. Diese Vermögen wären also befreit. Natürlich würde diese Befreiung zu einer neuen Gerechtigkeitsdiskussion führen, wenn gerade ganz große Vermögen freigestellt werden.

Eine weitere Ausnahme sollen "zukunftsweisende Investitionen" sein. Welcher mittelständische Unternehmer oder Handwerker tätigt schon eine Investition, die nicht für die Zukunft bestimmt ist? Damit wäre faktisch jede Investition vermögenssteuerfrei. Darüber hinaus wird die Finanzindustrie neue Fonds und Abschreibungsmodelle entwickeln, die alle mit dem Zusatz "garantiert von der Steuer befreit" angeboten würden. Jede Investition müsste von Gutachtern überprüft werden, ob sie tatsächlich zu dieser Kategorie gehört. Eine Fülle von Prozessen mit Finanzämtern wäre die Folge.

Auch das selbst genutzte Wohneigentum soll freigestellt werden. Das ist vernünftig. Entscheidend ist jedoch, bis zu welcher Wertgrenze die Freistellung erfolgt, denn sicher soll die Millionen-Villa an der Elbe zur Bemessungsgrundlage hinzugerechnet werden. Um eine Bewertungsbasis zu finden, müssten neue Einheitswerte ermittelt werden: ein Beschäftigungsprogramm für Tausende Finanzbeamte über Jahre. Diese Beispiele verdeutlichen, wie schwer eine gerechte und volkswirtschaftlich sinnvolle Bewertung der Vermögen ist. Deshalb wurde nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes 1995 die Vermögenssteuer ausgesetzt. Eine Bewertungsgerechtigkeit ist heute so schwer wie damals. Übrigens: Bei keiner anderen Steuer wurde ein so großer Teil für das Inkasso benötigt.

Wird die Vermögensverteilung gleichmäßiger? Auch dieses Ziel wird kaum erreicht. Zwar wird den "Reichen" etwas genommen, was indirekt der Bevölkerung über höhere Staatsausgaben zugute kommt. Aber es wird kein Vermögen bei den bisher nicht Vermögenssteuerpflichtigen gebildet.

Die von den Initiatoren genannten Ziele lassen sich durch eine Vermögenssteuer nicht erreichen. Die Einführung bedeutet neue Ungerechtigkeiten durch ungelöste Bewertungsfragen sowie neue Steuersparmodelle. Die Vermögenssteuer reduziert in Krisenzeiten das Eigenkapital (das Risikopolster der Firmen) und gefährdet so Arbeitsplätze. Der Senat sollte sorgfältig prüfen, ob er diesem Antrag folgt.