Die Gymnasiasten aus Eidelstedt und St. Georg engagierten für ihren Abiball die Event-Agentur “Abistars“ - und wurden betrogen.

Hamburg. Die Prüfungen sind geschafft, der Stress ist vorbei. Jetzt ist es Zeit für den Abi-Ball, denn ohne diese Feier geht keiner der Gymnasiasten ins Leben hinaus. Es ist ein wichtiges Ereignis für die Schüler, aber auch für ihre Eltern, Geschwister und die besten Freunde. Was früher meist eine reine Tanzveranstaltung mit Schulband in der Aula war, wird heute allerdings oft als luxuriösen Feier geplant. Auch das Abi-Ball-Komitee des Gymnasiums Dörpsweg wollte dieses Jahr besonders glamourös feiern. Die Schüler gaben die Organisation in die Hände der Agentur "Abistars" - und wurden bitter enttäuscht.

Nieka Poorkazemi und Giselle Sernandez, beide 18, vom Abi-Ball-Komitee hatten die Agentur, die auf derartige Veranstaltungen spezialisiert war, beauftragt, weil das Fest perfekt werden sollte. Bereits ein Jahr vor ihrem Examen begannen sie mit der Planung. Vorgespräche wurden geführt, Räume besichtigt und Buffetkarten abgesegnet. "Man will ja, dass dieser Abend in guter Erinnerung bleibt", sagt Nieka Poorkazemi. Die vermeintlichen Profis versprachen eine Superparty im Studio Hamburg, mit Luxusbüfett. Pro Karte verlangten sie dafür rund 50 Euro, die Schüler bezahlten: Insgesamt 12 000 Euro hat Abistars im Vorfeld erhalten. Eine Woche später kam dann der Schock, der Raum war nicht reserviert. Die Mädchen erstatteten Anzeige bei der Polizei und direkt bei der Staatsanwaltschaft. "Ich glaube nicht, dass wir das Geld wiederbekommen", sagt Poorkazemi traurig. Ihre Mitschüler zeigten Verständnis.

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Trotz aller Enttäuschung wollen die jungen Frauen aber ein schönes Fest mit ihren Schulkollegen feiern. Darum planen sie den Abschlussball jetzt selbst. Und damit liegen sie voll im Trend: Die meisten Abiturienten in Hamburg organisieren dieses besondere Fest noch immer selbst - wenn auch mit mehr Aufwand und Kreativität als frühere Jahrgänge. "Die präsentieren tolle multimediale Programmpunkte, bringen gute Bands mit. Das schlägt sich allerdings nicht im Budget nieder. Das ist bei den Schülern mit 40 bis 70 Euro pro Gast oft sehr knapp kalkuliert", sagt Jörg Reichel, Marketingchef bei Nordevent. "Mit Abi-Feiern kann man keinen Gewinn machen, deswegen gibt es dafür hier in Hamburg auch keinen großen Agentur-Markt", sagt Reichel.

"Bei uns ist es Tradition, dass die Schüler das selbst in die Hand nehmen", sagt Egon Tegge, Schulleiter des Goethe-Gymnasiums in Lurup. "Es gibt eine Festgruppe, die alles organisiert." Seine Schüler feiern am nächsten Wochenende im Restaurant "Parlament".

Aus pädagogischen Gründen sei es besser, wenn die Organisation eines so wichtigen Festes nicht in professionelle Hände gegeben werde. "Eine Schule ist eine Gemeinschaft, und dann können Schüler das auch gemeinsam organisieren", sagt der Schulleiter. Das sieht Christoph Preidt, Oberstufenleiter am Gymnasium Othmarschen, ähnlich: "Die Schüler lernen eine Menge an Verantwortung und Planung."

Der Abiball ist eine gute Möglichkeit, das erste große Projekt zu plaen

Das Abi-Ball-Komitee des Gymnasiums hat den recht luxuriösen Süllberg als Partyort ausgewählt. "Wir hatten bei einigen anderen Locations angefragt, aber dort oben auf der Terrasse ist die Aussicht einfach unschlagbar", sagt die 18-jährige Ann-Kristin Tiedemann. Für sie und ihre Schulkameraden ist am wichtigsten, dass "der Tag unvergesslich wird". Und das erreicht man offenbar eher auf dem Süllberg als in einem Sportlerheim. "Wahrscheinlich sind wir heute andere Standards gewöhnt, aber durch das Internet haben wir auch viel mehr Möglichkeiten, Orte zu vergleichen und auszusuchen", sagt die Abiturientin.

Die Agentur hat das Geld genommen, aber keinen Raum dafür gemietet

Frederic Rupprecht hat 2010 am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium in Poppenbüttel Abitur gemacht. "Ich war selbst im Komitee. Der Abi-Ball ist eine wunderbare Möglichkeit, ein erstes großes Projekt auf die Beine zu stellen", sagt Rupprecht. "Wir hatten viel Unterstützung von unserem Oberstufenkoordinator."

Einen Trend hat Rupprecht, der in der Fischauktionshalle gefeiert hat, ausgemacht: "Dass man nach 23 Uhr, wenn das gesetzte Essen vorbei ist, noch mal günstigere Karten verkauft, dann können auch die Freunde kommen und feiern." Was am Ende in der Kasse übrig bleibt, wird traditionell an den nächsten Abi-Jahrgang überreicht. Der letzte Jahrgang des Kurt-Körber-Gymnasiums in Billstedt hat im Class, einem Veranstaltungsort auf der Veddel, gefeiert. "Eine Agentur wäre für uns nicht infrage gekommen. Sicher wäre so etwas arbeitserleichternd, aber ich hätte Angst, dass man keine Kontrolle mehr über die Party hat", sagt Marika M. D. Williams.

Genau das war das Problem der Gymnasiasten vom Dörpsweg. Sie hatten die Kontrolle an eine vermeintlich seriöse Agentur abgegeben. Allerdings sind sie nicht die Einzigen, die auf die Masche hereingefallen sind. Den Abiturienten des Wirtschaftsgymnasiums am Lämmermarkt erging es ähnlich. Auch sie hatten 8000 Euro an Abistars überwiesen. Noch höher ist der Schaden, der Thomas Luserke, Geschäftsführer der Messehalle Hamburg-Schnelsen, im letzten Jahr entstanden ist. Für elf Abi-Bälle hatte die Agentur, die damals unter dem Namen "Easy ABI Hamburg" firmierte, die Halle gemietet - bezahlt wurden aber nur die ersten fünf. "Aber wir haben die Bälle trotzdem durchgezogen, schließlich konnten die Schüler ja nichts dafür", sagt Luserke. Er hatte dadurch einen Verlust von 60 000 Euro. Zwar ist er juristisch gegen die Agentur vorgegangen, aber an eine Zahlung der ausstehenden Summe glaubt er nicht mehr.

Jetzt planen die Mädchen vom Dörpsweg ihren Abi-Ball neu - diesmal aber selbst. Sie haben sich Danka Kajganic, 18, mit ins Team geholt. Die Feier findet am 25. Juni im Haus des Sports statt. "Die Decke ist nicht so schön dort, und die Beleuchtung lässt sich auch nicht so gut regeln", sagt Poorkazemi. Und momentan seien die passenden Stuhlhussen das größte Problem - von ihrem Perfektionismus und Anspruch haben die Mädchen trotz der schlechten Erfahrung also nichts eingebüßt. Nur ihre Einstellung zum Verhältnis von Wunsch und Machbarkeit hat sich verändert. "Jetzt ist es halt nicht so schick, dafür kostet es aber nur dreißig Euro", sagt Poorkazemi. Trotzdem werden den Ball am 25. Juni wohl nur 51 der 60 Absolventen besuchen können: Neun Abiturienten können sich die zweiten Karten jetzt nicht mehr leisten. Ihre Mitschüler versuchen aber, das Problem zu lösen. (abendblatt.de)