Es geht um die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Dafür reichen Hafen, Windräder und Elbphilharmonie alleine nicht, meint der Sozialdemokrat und Manager

Vom ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair hat Hamburgs jetziger Bürgermeister Olaf Scholz früh eine wichtige Lektion gelernt: "Law and order is a labour issue" ("Recht und Ordnung ist ein Thema für die Labour-Partei"). Doch eine andere Lektion Tony Blairs scheint beim neuen Senat leider noch nicht ganz angekommen zu sein: "Education, education, education" ("Bildung, Bildung, Bildung").

Hamburgs SPD hat einen furiosen Wahlsieg gegen eine sich selbst demontierende CDU hingelegt. Jetzt steht die erste große Bewährungsprobe bevor. Nachdem die Abschaffung der Studiengebühren versprochen und eingehalten wurde, wenden sich jetzt mit Verve Studenten und Professoren gegen Stapelfeldt & Scholz. Der einst von Studenten eher skeptisch beäugte ehemalige Wissenschaftsmanager und jetzige Unipräsident Lenzen avancierte mit seinem leidenschaftlichen wie richtigen Kampf für eine bessere Hamburger Universität zum Star der Studenten. Was ist schiefgelaufen im siegreichen Senat?

Die Misere der Hamburger Universität hat eine lange Geschichte. Nachdem die führenden deutschen Universitäten teilweise Jahrhunderte zuvor errichtet waren, bequemten sich die Hamburger Kaufleute erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ihren Kindern den sofortigen Weg ins Kontor (so noch von Thomas Mann in den "Buddenbrooks" wunderbar nachgezeichnet) durch Errichtung der stadteigenen Uni zu ersparen. Und derweil die CSU-Regierung die beiden Universitäten in München zu Spitzen-Unis machte, wollte sich in Hamburg seit Jahrzehnten keine Regierung für die eigene Uni einsetzen. Bundeswehr-Uni, TU Harburg, Bucerius Law School, alles okay. Aber die Alma Mater an der Edmund-Siemers-Allee bekam keinen Rückenwind, nicht von SPD, nicht von CDU. Für meine beiden Kinder, 23 und 20 Jahre alt, kamen viele großartige Universitäten bei der Auswahl infrage, Hamburg war nicht dabei.

Scholz hatte im Wahlkampf zwei große Themen: Familie und Hafen. Bildung war nicht dabei. Mit schlechtem Grund. Nachdem die SPD beim Kampf um das gemeinsame Lernen eine beklagenswerte Vorstellung gegeben hatte und am Ende nur der visionsfreie "Schulfrieden" blieb, besteht nun die Gefahr, dass die Hochschulpolitik zum ersten großen Stolperstein für den Senat wird. Wie kann es angehen, dass dieses Megathema nicht aufgenommen wird? Wenn sogar der Ausstieg aus der Atomenergie parteiübergreifend machbar ist, warum nicht auch der Einstieg in die Bildungs- und Wissenschaftsgesellschaft? Die SPD, fürwahr nicht reich an ureigenen Themen, muss dieses Thema zu dem ihren machen. "Education, education, education!", möchte ich dem Senat zurufen, von der gemeinsamen Schule bis zum Hochschulabschluss. Vermasselt es nicht!

Die Abschaffung der sozial ungerechten Studien- oder Kitagebühren ist richtig. Auch der Hafen muss ausgebaut werden. Meinetwegen möge man auch die Elbphilharmonie, Millionengrab schon heute, zu Ende bauen, um größeren Schaden abzuwenden. Es kann aber niemand wollen, dass wir Tausende Containerschiffe befrachten, Millionen Touristen am Hafenrand zählen, derweil die Uni ein ungeliebtes Kind bleibt und Studenten und Wissenschaftler in Scharen abwandern. Das wäre ein bitterer, später Triumph der Kontore über die Wissenschaft, ein Jahrhundert nach der zu späten Universitätsgründung. Immer noch hat Hamburgs Politik nicht genügend dazu gelernt.

Der Senat hat immerhin erkannt: Kultur ist ein Standortfaktor. Warum erkennt er nicht: Wissenschaft ist ein mindestens ebenso bedeutender Faktor für das Gedeihen und die Zukunftsfähigkeit einer Stadt. "It's education, stupid", könnte man Bill Clintons politischen Lehrsatz über die Bedeutung der wirtschaftlichen Lage auf die Bildung abwandeln.

Hamburg braucht endlich eine großartige Universität, die die besten Studenten und Professoren anzieht und für die klugen Kinder dieser Stadt ein Grund zum Hierbleiben bietet. Es geht nur um wenige Millionen Euro. Aber es geht um die Zukunftsfähigkeit der Stadt. Hafenterminals, Windräder und Symphoniesäle reichen dafür allein nicht aus. Uni-Präsident Lenzen hat seine wunderbaren Vorstellungen von einer Universität, auf die wir Hamburger stolz sein könnten, erst vor wenigen Tagen im Hamburger Abendblatt beschrieben. Möge der Hamburger Senat diesen Text lesen und schnell in eine Senatsdrucksache verwandeln. Und wenn das Geld nicht ausreicht, müssen wir Bürger eben wieder für unsere Universität spenden gehen. Dafür lohnt's.

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