Eine Glosse von Birgit Reuther

Jetzt mal Hand aufs Herz. Beziehungsweise auf den Fuß. Wer zieht heutzutage noch Turnschuhe nur zum Turnen an? Stufenbarren, Schwebebalken, Rhönrad: Derlei Nischenfeldern ist der Turnschuh längst entlaufen. Der Boden, auf dem der Turnschuh viel lieber turnt, ist der Alltag. Und was die Sache noch besser macht: Als Symbol des Juvenilen, das die Glaubwürdigkeit der Straße verspricht, darf der Turnschuh dreckig sein. Mehr noch: Er trägt seinen Schmutz wie eine Auszeichnung.

Schön blank geputzt hingegen waren die Lederschuhe, die der Percussionist Martin Grubinger jetzt bei seinem Konzert in der Philharmonie in Berlin trug. Die hatte ihm nämlich Mutti geschenkt. Und Grubinger, ganz der brave Sohn, hat sie angezogen, die schwarz glänzenden Teile.

Nun hat das aber mit Sachen, die Mütter einem aussuchen und/oder rauslegen, so seine Bewandtnis. Sie sind häufig unbequem. Das bekam auch der 28 Jahre alte Trommler zu spüren. Die Sohle der Treter erwies sich als zu glatt. Nach der Präsentation seines ersten Werks ließ Grubinger sich daher von dem Pianisten seine alten Turnschuhe bringen. Dem Publikum erklärte er die Chose: Mutti, Geschenk, Rutschgefahr. Das könnte bei seinen Soli, die viel Körpereinsatz erfordern, gefährlich werden.

An dieser Stelle von Kunst-Turnen zu schreiben und das als Pointe zu verkaufen, scheint allzu offensichtlich. Wir machen das aber trotzdem mal.